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Erzbischof der Lutheraner in den GUS-Staaten: Edmund Ratz (Foto: Elkras) |
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Montag, 21.11.2005
Erzbischof Ratz: Die Kirche in Russland verankernSt. Petersburg. Seit Oktober amtiert in der Petersburger Petrikirche Edmund Ratz (72) als neuer Erzbischof der Evangelisch-lutherischen Kirche in Russland und den GUS-Staaten, (ELKRAS). Ein Porträt im SPZ-Interview.
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Edmund Ratz stammt aus Bayern, kam aber aus der Ukraine nach Petersburg, , wo er sechs Jahre lang Bischof war. Zuvor war der Theologe in Großbritannien und in Deutschland für die Kirche tätig.
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Herr Ratz, wie ist Ihr erster Eindruck von der Situation in der ELKRAS und in der Petersburger Gemeinde im besonderen?
Ich habe die Gemeindemitarbeiter kennen gelernt und habe mich gefreut, hier tüchtige Leute zu treffen. Ich habe mich schon in Moskau mit Metropolit Kyrill sowie mit Regierungsvertretern getroffen und versuche, weiter Kontakte zu knüpfen. Mein Vorteil ist, dass ich sechs Jahre lang in der Ukraine gearbeitet habe und eine Ahnung von der postsowjetischen Gesellschaft habe. Auch wenn die Ukraine sich jetzt etwas anders entwickelt, ist die Geschichte der beiden Länder doch die gleiche.
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Was sind Ihrer Meinung nach die Hauptprobleme der lutherischen Kirche in Russland?
Wir haben in Russland ja eine lange Geschichte. Vor der Revolution spielte die lutherische Kirche in Russland mit etwa drei Millionen Mitgliedern eine große Rolle. Während der sowjetischen Zeit ist sie aber praktisch ausgelöscht worden: Viele Pastoren wurden erschossen und Gemeindemitglieder deportiert. Nach der Perestrojka lebte sie wieder auf, aber natürlich nicht in dem Umfang wie damals. Jetzt haben wir vielleicht 20.000 eingetragene Gemeindemitglieder.
Wir sind zu einer städtischen Kirche geworden. In den alten Zeiten war die evangelische Religion in vielen russlanddeutschen Dörfern verbreitet, vor allem an der Wolga. Heute sind die Nachfahren dieser Leute in die Städte gezogen oder ausgewandert. Das bedeutet, die lutherische Kirche muss in den Gemeinden ein interessantes Programm anbieten, damit die Leute wieder in die Kirche gehen.
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Und es gibt noch ein anderes großes Problem: In der kommunistischen Zeit sind viele Russen areligiös geworden. Man hat sich daran gewöhnt, dass es ohne Religion geht. Ob es besser geht da haben wir unsere Zweifel. Wir glauben, mit Religion ist das Leben besser. Aber das muss jeder wieder für sich entdecken.
Es wird dem russischen Staat manchmal vorgeworfen, die orthodoxe Kirche zu privilegieren. Welchen Platz nimmt die lutherische Kirche in Russland ein?
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In Russland ist es nicht so wie in der Ukraine, dort sind die Kirchen eher gleichberechtigt. Das hat damit zu tun, dass es in der Ukraine drei orthodoxe Kirchen gibt: das Moskauer Patriarchat, das Kiewer Patriarchat und die Autokephalen. In Russland wird die orthodoxe Kirche vom Moskauer Patriarchat vertreten, das den ersten Platz im religiösen Leben des Landes beansprucht. In unserem Gespräch hat Mitropolit Kyrill gesagt, die lutherische Kirche sei nach der orthodoxen die wichtigste in Russland.
Aber was diese Abstufung für ihn bedeutet, müsste man nachfragen. Heißt es, dass wir gleichberechtigt sind? Wahrscheinlich nicht. Aber auch nicht, dass wir schlecht da stehen. Meine Aufgabe sehe ich darin, unseren Platz in Russland und in den GUS-Staaten noch genauer zu bestimmen und auch zu sehen, inwieweit wir in der russischen Gesellschaft besser verankert sein können. Wir wollen nicht eine deutsche Kirche in Russland sein, sondern eine lutherische Kirche.
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Wie sieht der Alltag eines Erzbischofs aus?
Zu Beginn habe ich fast ganztags Gespräche geführt mit den Mitarbeitern und mit Vertretern der Regierung und der Ökumene. Ich muss auch viel für Zeitschriften schreiben. Am Sonntag werde ich in Moskau predigen. Dann fahre ich weiter nach Omsk, wo eine Synode stattfindet. Dann komme ich zurück zum Bischofsrat nach St. Petersburg. Also: Mein Alltag besteht aus vielen Reisen und Vertretungsaufgaben. Im November fahre ich nach Berlin zur Synode der Evangelischen Kirche Deutschlands und dann nach Usbekistan.
Sie werden in der nächsten Jahren in Russland leben. Haben Sie einen eigenen Bezug zu diesem Land?
Von Kind auf habe ich Tolstoj, Dostojewski und Turgenjew gelesen. Jetzt während der sechs Jahren in Odessa habe ich mehr Berührungen mit der russischen Kultur gehabt, auch war ich oft in der Oper. Ich will mich jetzt noch intensiver damit auseinander setzten. Mein Russisch ist leider noch nicht gut genug, um zum Beispiel das russische Theater zu verstehen.
St. Petersburg kenne ich noch von früher. In der letzten Jahren ist es eine strahlende Stadt geworden, man sieht viel Glanz. Und ich sehe Hoffnung in den Leuten. Ich habe hier sehr viele freundliche Menschen kennen gelernt. Ich denke, Höflichkeit und Freundlichkeit gehören zur russischen Kultur, so dass ich mich hier sicher sehr wohl fühlen werde.
Herr Ratz, vielen Dank für das Gespräch!
(Interview: Anna Litvinenko/SPZ)
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