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Wie wurden die Oligarchen reich?

Von André Ballin, Moskau. Seit Anfang der 90er Jahre sind die Oligarchen in aller Munde. Doch was verbirgt sich hinter dem Begriff? Was macht einen russischen Geschäftsmann zum Oligarchen? Zuerst einmal ist es die Höhe und Geschwindigkeit seines Aufstiegs. Innerhalb kürzester Zeit nach dem Zerfall der Sowjetunion konnte sich ein kleiner Teil der Bevölkerung unheimliche Reichtümer aneignen, während der Großteil der Menschen verarmte. Die Methoden des Vermögenserwerbs waren von Anfang an zweifelhaft, doch in vielen Fällen fragt die Staatsgewalt erst heute nach.

Die Oligarchie ist als Staatsform schon in der Antike bekannt. Der griechische Philosoph Aristoteles kennzeichnete sie als Regierungsform, bei der die Reichen das Sagen haben und über die Armen herrschen. Verblüffend ist, wie genau seine Analyse über 2.000 Jahre später auf die Situation im postsozialistischen Russland zutrifft.

Einerseits waren es Sprösslinge der alten Nomenklatura, die ihre Verbindungen und Stellung ausnutzten, um an Geld und Macht zu gelangen. Es ist kein Zufall, dass einige der neuen Reichen im Komsomol anfingen. Auf der anderen Seite konnten auch einige Personen der sogenannten Intelligenzija ihr geistiges Kapital durch kriminelle Energie versilbern. Wenn auch die Schätzungen über die Zahl und die Identitäten der einzelnen Oligarchen auseinander gehen, klar ist, dass es sich um eine kleine Gruppe von maximal 20 Personen handelt, die die Wirtschaft des Land scheinbar kontrolliert(e).

Es gibt prinzipiell zwei Wege, über die die Oligarchen zu ihrem Reichtum kamen. Entweder sie sicherten sich Unternehmen in der Rohstoffindustrie Russlands oder sie gründeten Banken.

Schon im Juli 1988 schaffte Gorbatschow Möglichkeiten für privates Unternehmertum. Neu zu gründenden Kooperativen wurde gestattet, Privateigentum zu besitzen und private wirtschaftliche Tätigkeit zu entfalten. Doch erst im Juni 1990 gab es die erste rechtliche Grundlage für eine tatsächliche Privatisierung. Der Ministerrat der UdSSR erließ eine Rechtsverordnung über Aktiengesellschaften und Gesellschaften mit beschränkter Haftung. Von nun an war es möglich, Staatsunternehmen in Aktiengesellschaften umzuwandeln.

Die Direktoren der Rohstoffkombinate hatten bei der Privatisierung auch eine gute Ausgangsposition. Aufgrund ihres Wissens und ihrer Beziehungen konnten sie sich oft die Filetstücke sichern. Einer der so genannten Wendedirektoren ist Rem Wjachirew. Mit staatlichen Geldern leitete er die Privatisierung von Gasprom zu Wendezeiten ein und vergaß dabei weder sich noch seine Kinder.

Ganz generell stand am Anfang vieler Oligarchenkarrieren die private Aneignung von Staats-, Gewerkschafts- oder Parteigeldern. Um ihren Einfluss auch in der Privatwirtschaft zu sichern, transferierten Partei und KGB oft größere Summen an einzelne Personen, die als loyal galten.

Anfang 1992 initiierten Jegor Gaidar und Anatoli Tschubais die Schocktherapie. Mit einer Liberalisierung der Preise bei gleichzeitiger Einführung von Privateigentum wollten sie die Versorgungsengpässe in Russlands Wirtschaft und Geschäften beseitigen. Doch die Politik führte zu einer sprunghaften Erhöhung der Preise, die bei weitem die finanziellen Möglichkeiten der meisten Russen überstieg. Im Resultat verarmte der Großteil der Bevölkerung und war gezwungen, sich von Besitzständen zu trennen, um irgendwie zu überleben.

Die einfachste Möglichkeit schien zu sein, sich von den so genannten Vouchers, den Anteilsscheinen an den Staatsunternehmen zu trennen. Doch weil so viele diese Vouchers verkaufen mussten, fiel der Preis dafür ins Bodenlose. Weniger als eine Flasche Wodka kostete er die Käufer. Angehörige der Nomenklatura und der Schattenwirtschaft konnten auf diese Weise unglaubliche Reichtümer zu einem niedrigen Preis anhäufen. Reich wurden auf diese Weise Wagit Alekperow (Lukoil), Oleg Deripaska (Russki Aluminium)

Boris Jelzin, der den „jungen Reformern“ freie Hand ließ, verlor dadurch an Popularität in der Bevölkerung. Die erste schwere Staatskrise „meisterte“ er 1993 in bewährt bolschewistischer Manier. Er ließ die aufsässigen Parlamentarier einfach zusammen schießen.

Doch 1995/1996 im Vorfeld der Präsidentenwahlen sah es düster aus für Jelzin. Den Oligarchen der ersten Stunde wurde klar, dass bei den bevorstehenden Neuwahlen Jelzin abgelöst werden könnte. Der Amtsinhaber lag bei Umfragen Ende 95 bei ca 2 % in der Wählergunst. Beresowski, Gussinski, Potanin u.a. boten Jelzin ihre Hilfe an. Tschubais organisierte einen fulminanten Wahlkampf, der mit einem Sieg des schwer herzkranken Jelzins vor seinem kommunistischen Herausforderer Gennadi Sjuganow endete – und damit, dass die Oligarchen in den Kreml einzogen. Als Lohn für die Wahlkampfunterstützung konnten sie sich bei den Auktionen noch einmal kräftig am Staatseigentum bedienen.

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Der Winter ist eingezogen. Für ein paar Monate können sich die Russen in den Moskauer Parks an zahlreichen Eisskulpturen erfreuen. (Topfoto: Ballin)



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