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Wer - wen ? Das Verhältnis Kreml-Oligarchen

Von André Ballin, Moskau. Der Einfluss der Oligarchen im Kreml unterlag im Laufe der Zeit starken Schwankungen. Zum Ende der Jelzin-Zeit schien sich die sogenannte „Familie“ jedoch fest etabliert zu haben. Um die Jelzin-Tochter Tatjana Djatschenko und ihren späteren Ehemann Valeri Jumaschew bildete sich eine Clique, die die Politik des gesundheitlich angeschlagenen Präsidenten stark beeinflusste.

Dazu zählten anfangs Jelzins Wahlkampfmanager und Administrationschef Anatoli Tschubais, der Medienmogul Boris Beresowski, und auch Wladimir Gussinski, der für den hemmungslosen Einsatz seiner Medien (Media-Most, darunter auch NTW) im Wahlkampf mit Sendelizenzen für NTW, Sonderkrediten und einem Platz im Küchenkabinett belohnt wurde. (persönlich war es NTW-Direktor Igor Malaschenko)

Nachdem Jelzins Leibwächter Alexander Korschakow ausgebotet worden war, stießen auch der Sibneft-Chef Roman Abramowitsch und auch der Vorsitzende der MDM-Bank Alexander Mamut zu dieser Gruppe auf. Gussinski hingegen überwarf sich schließlich mit dem Kreml und nutzte seinen Sender NTW nun dazu, die Kreml-Politik scharf zu kritisieren.

Andere Oligarchen wie Wladimir Potanin (heute Chef der Interros-Holding) oder Michail Chodorkowski (heute Yukos-Chef) besetzten kurze Zeit wichtige Kabinettsposten. Die Zeit als Stellvertretender Energieminister Chodorkowskis fiel in die Zeit der ersten groß angelegten Privatisierung 1992/1993. Wladimir Potanin war sogar stellvertretender Premierminister zwischen 1996 und 1997. In dieser Zeit war er verantwortlich für das Wirtschaftsressort.

Auch der langjährige Premier Viktor Tschernomyrdin muss in die Reihen der Oligarchen gestellt werden. Er ist das beste Paradebeispiel für die Kontinuität zwischen alter und neuer Elite. Schon zu Sowjetzeiten war der Apparatschik Minister. In seine Zuständigkeit fiel die Gasindustrie. Später gründete er dann mit Gasprom den ersten staatlichen Konzern der UdSSR, den er bis zu dem Zeitpunkt leitete, als er von Jelzin ins Kabinett geholt und schliesslich 1992 zum Premierminister gemacht wurde.

Unter Jelzin war Tschernomyrdin zwischen 1992 und 1998 der zweite Mann im Staat und vertrat naturgemäß vor allem die Interessen der Öl- und Gasindustrie. Er vergaß aber auch die eigenen nicht. So berichtete zumindest die Iswestija im Frühjahr 1997 unter Berufung auf ein US-Kongress-Hearing, Tschernomyrdins Privatvermögen beliefe sich auf fünf Milliarden US-Dollar.

Im März 1998 musste Tschernomyrdin gehen und es folgte eine Zeit der Wirren in Politik und Wirtschaft, in deren Verlauf sich das Verhältnis Kreml-Oligarchen grundlegend änderte. Nach einem kurzen Zwischenspiel des Premiers Sergej Kirienko wurde nach dem Zusammenbruch der russischen Wirtschaft im August 1998 mit dem Ex-Spionagechef Jewgeni Primakow erstmals ein Mann Premierminister, der nicht die Politik der Oligarchen betrieb.

Unter Primakow begannen erstmals staatsanwaltliche Ermittlungen gegen Boris Beresowski. Auch Jelzins Schwiegersohn geriet beinahe ins Visier der Ermittler. Es drohte ein finaler Konflikt zwischen Oligarchen, Neureichen einerseits und den Resten des Sowjet-Apparates andererseits auszubrechen.... als Jelzin schliesslich den Geheimdienstoberst a.D. Wladimir Putin zu seinem Thronfolger machte, war damit – wie sich jetzt herausstellt – ein Weg zum Kompromiss gefunden.

Nach dem Wahlsieg Putins änderten sich die Zustände insofern, dass er „gleichen Abstand zum Kreml“ für alle forderte. Beresowski und Gussinski, die die neuen Spielregeln nicht akzeptieren wollten, wurden mit staatsanwaltlichen Ermittlungen aus dem Lande gedrängt. Die anderen behielten ihre Imperien und konnten weiter schalten und walten – solange sie sich aus der Politik raushielten.

Der neue Kreml-Chef umgibt sich zunehmend mit Geheimdienstlern einerseits und liberalen Wirtschaftsexperten aus Petersburg andererseits. Auch die Oligarchen greifen zunehmend zu einer neuen Methode, um ihre Interessen durchzusetzen. Während früher jeder Oligarch auf eigene Faust versuchte, seine Konkurrenten auszuschalten und selbst im Kreml zu intervenieren, wohl wissend, das politische Beziehungen bares Kapital sind, gewinnt in den letzten Jahren der russische Unternehmerverband unter Arkadi Wolski immer mehr an Gewicht. Die Oligarchen versuchen zumindest teilweise, gemeinsame Interessen zu formulieren. Statt des frühkapitalistischen Faustrechtes der 90er gelten inzwischen zivilere Regeln im russischen Business.

Es schien tatsächlich so, dass zwischen Bürokratie und Oligarchie ein Waffenstillstand eingekehrt ist: Bis zum Vorwahlkampf 2003.


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