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Warum Beresowski kein Oligarch mehr ist

Von Vladimir Essipov, Moskau. Vor fünf Jahren war er einer der einflussreichsten Männer Russlands. Heute sitzt er im Londoner Exil und spuckt Gift in Richtung Kreml. Der heute 57 Jahre alte Boris Beresowski wurde Opfer seiner politischen Ambitionen. Nachdem er den frisch gewählten Präsidenten Putin öffentlich kritisiert hatte, zögerte die Staatsmacht nicht lange. Mit einem Berg an Ermittlungen zwang Russland den umtriebigen Geschäftsmann ins Ausland. Aus einem Oligarchen wurde ein Exilant.

Dabei hatte alles so schön angefangen. Als hoch begabter Mathematiker, Kybernetiker und Spezialist für Automatisierungssysteme machte Boris Beresowski in der Sowjetunion eine glänzende Karriere an der Akademie der Wissenschaften. Ende der 80er Jahre erkannte er als einer der ersten die Gunst der Stunde und wechselte von der Wissenschaft in die Wirtschaft. Oder das, was man damals darunter verstand.

Mit einem Partner gründete Beresowski Logovaz, ein Unternehmen, das durch exklusive Verträge mit dem größten russischen PKW-Hersteller VAZ (dem Lada- und Niva-Produzenten) schnell reich wurde. Das System war denkbar einfach: Logovaz nahm heiß begehrte Autos zu einem staatlich geregelten Niedrigpreis ab, weil sie vorgeblich für den Export bestimmt waren, exportierte aber nur die Fahrzeugpapiere und verkaufte die Autos in Wirklichkeit im Inland zum Marktpreis weiter. Aus der Handelsfirma wurde schnell ein Großunternehmen.

1994 überlebte er nur knapp einen Bombenanschlag – und wurde bekannt. Mitte der neunziger Jahre verschaffte sich Beresowski Zugang zum Kreml. Jelzins Leibwächter Alexander Korschakow erzählt bis heute, wie Beresowski angeblich versucht habe, ihn dazu zu bewegen, den Bereswoski-Intimfeind Wladimir Gussinski zu beseitigen. Bereswoski gelang es, gute Beziehungen zu Jelzin-Tochter Tatjana Djatschenko aufzubauen. Er beteiligte sich an der Finanzierung der schon verloren geglaubten Wiederwahl Jelzins im Jahr 1996 – und erhielt dafür seinen ersten politischen Posten. Beresowski wurde zum stellvertretenden Chef des Nationalen Sicherheitsrates und verhandelte in dieser Funktion mit den Anführern der aufständischen Tschetschenen.

Ende der 90er Jahre umfasste sein Imperium Massenmedien und Ölfirmen, er lenkte die Geschicke des ersten Fernsehprogammes ORT, er ging im Kreml ein und aus und galt als einer, der den besten Zugang zum kranken Präsidenten Jelzin hatte. Die Medien nannten ihn die graue Eminenz im Kreml.

Doch nach der Finazkrise 1998 sah sich Jelzin gezwungen den ungeliebten Jewgeni Primakow zum Premier machen. Damit begannen auch für Beresowski ernsthafte Schwierigkeiten. Es folgten staatsanwaltschaftliche Ermittlungen wegen Aeroflot u.ä. Zwar wurde der Generalstaatsanwalt Juri Skuratow kurz danach mit Hilfe eines Geheimdienst-Videos ausgeschaltet, in dem zu sehen war, wie ein Mann, der dem Staatsanwalt sehr ähnlich sah, sich mit zwei Prostituierten vergnügte. Aber seitdem wurden die strafrechtlichen Ermittlungen gegen den „Grossen Kombinator“ nie mehr ganz eingestellt. Im Frühsommer 1999 aber kehrte Bereswoski noch einmal in den Kreml zurück.

Es gilt als sicher, dass Beresowski auch an der Entscheidung über Jelzins Nachfolger beteiligt war. Mit aller Energie betrieb Beresowski Wahlkampf für Putin. Mit Erfolg. Am 31. Dezember 1999 übernahm Wladimir Putin die Geschäfte im Kreml. Im März wurde er offiziell zum zweiten russischen Präsidenten gewählt.

Doch schon im Sommer 2000 stellte sich Beresowski öffentlich gegen den Geheimdienst-Oberst, den er noch ein halbes Jahr zuvor als neue Hoffnung für sein Land bezeichnet hatte. Aus Protest gegen den neuen Autoritarismus und den drohenden Abbau von demokratischen Institutionen in Russland legte er sein Abgeordneten-Mandat nieder.

Mehr noch: Beresowski sprach davon, dass sein Land eine starke Opposition zu Putin brauche. Die Reaktion ließ nicht lange auf sich warten, die Staatsanwaltschaft nahm die Ermittlungen gegen Beresowskis Firmen wieder auf. Kurz darauf verließ der Magnat Russland und ließ sich in London nieder. Er verkaufte seine Anteile an ORT (49 Prozent) und Sibneft an den loyalen Milliardär Roman Abramowitsch und verabschiedete sich auch von seinen Aeroflot-Aktien. Sein Sender TV-6 wurde schließlich vom Presseministerium abgeschaltet. Beresowski verlor damit nicht nur Teile seines Wirtschaftsimperiums, sondern fast seinen ganzen politischen Einfluss.

Doch auch in seinem Londoner Exil lässt der umtriebige Ex-Oligarch nicht locker. Er trommelt zum Krieg gegen Putin, gründet eine politische Partei. Sie nennt sich „Liberales Russland“ und hatte außer Beresowski zwei weitere Mit-Gründer: Wladimir Golowljew und Sergej Juschenkow, der allerdings wenig später auf kritischen Abstand zu Beresowski ging. Beide wurden in Moskau erschossen: Golowljew im August 2002, Juschenkow im April 2003. Beresowski verdächtigt den russischen Geheimdienst; der Geheimdienst dreht den Verdacht um. Die russischen Ermittler durchsuchen wieder Beresowskis Firmen. Die russische Staatsanwaltschaft hat bereits in London seine Auslieferung beantragt – bisher ohne Erfolg. Zwar darf Beresowski England vorerst nicht verlassen, er fühlt sich aber frei in seinem Tun und Sagen. Er wird von Linken und Rechten aus Moskau besucht und gibt Interviews.

Und auch seinen alten Weggefährten und Geschäftspartner Roman Abramowitsch wird Beresowski demnächst öfter sehen. Abramowitsch hat bisher keine Probleme mit der Staatsmacht. Er darf sich frei zwischen Moskau, seinem Gouverneurssitz im arktischen Tschukotka und London, wo er vor kurzem den Fußballklub Chelseau kaufte, bewegen. Er redet nicht über Demokratie oder Zivilgesellschaft. Überhaupt redet Abramowitsch nicht viel. Abramowitsch, heisst es, hat Ahnung von Fußball. Er wird Beresowski darüber aufklären können, dass es nach einer – auch ungerechten - roten Karte kein Zurück auf den Spielplatz gibt.

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Der Winter ist eingezogen. Für ein paar Monate können sich die Russen in den Moskauer Parks an zahlreichen Eisskulpturen erfreuen. (Topfoto: Ballin)



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