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Die Geisterstadt Pripjat liegt nur wenige Kilometer vom AKW entfernt (Foto: Packeiser/.rufo) |
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Dienstag, 11.04.2006
Tschernobyl: Unverstrahltes Mittagessen inclusiveKarsten Packeiser, Tschernobyl. Auch 20 Jahre nach dem Super-GAU beginnt zwei Autostunden nördlich von Kiew eine unheimliche Welt. Doch Reisebüros bieten inzwischen sogar Ausflüge nach Tschernobyl an.
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Gierig schnappen die Welse nach den Brotstückchen, die ihnen zugeworfen werden. Nur angeln darf man sie leider nicht, sagt ein Mann im Overall auf dem Rückweg aus der Kantine, wirft einen wehmütigen Blick auf die zwei Meter langen Fische, die sich im Kühlwasserbecken tummeln. Den Tieren geht es dem Augenschein nach prächtig, obwohl sie seit der Reaktorkatastrophe 1986 einer permanenten radioaktiven Strahlung ausgesetzt waren.
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Strenge Ausweiskontrollen am Rand der Sperrzone
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Rimma Kisseliza mit Geigerzähler (Foto: Packeiser/.rufo) |
Die nach dem Unglück evakuierte 30-Kilometer-Sperrzone rund um den explodierten Reaktor darf bis heute nur mit speziellem Passierschein befahren werden. Bewaffnete prüfen an mehreren Kontrollposten genauestens die Pässe aller Autoinsassen. Allerdings können Interessierte seit einigen Jahren Ausflüge nach Tschernobyl buchen. Der Tages-Trip kostet in der Kleingruppe 100 Euro pro Person, garantiert bedenkenloses Mittagessen inclusive, verspricht die Webseite des Kiewer Reisebüros.
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Über 100.000 Menschen waren in den ersten Tagen nach dem Unglück aus der Katastrophenzone evakuiert worden. Zurück blieben Dutzende verlassener Dörfer, in denen Obstbäume und Büsche inzwischen die Häuser überwuchert haben. Die am schlimmsten verstrahlten Ortschaften wurden komplett dem Erdboden gleichgemacht, die Trümmer tief in der Erde vergraben.
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Dörfer verwandelten sich in Atommüll
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Über Nacht waren die Häuser zu Atommüll geworden, erzählt Rimma Kisseliza, die Besucher-Gruppen durch die gesperrte Zone führt. An das Dorf Kopatschi unweit des Katastrophen-Reaktors erinnern heute nur noch ein altes Ortsschild an der Dorfausfahrt und Warntafeln, die überall in der Erde stecken.
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Nur wenige Kilometer vom Atomkraftwerk entfernt liegt die verlassene 50.000-Einwohner-Stadt Pripjat, eine von Wäldern umgebene riesige Plattenbausiedlung, die die Sowjets einst für die Mitarbeiter des Atomkraftwerks auf dem Reißbrett entworfen hatten. Am 26. April 1986 konnten die Bewohner den glühenden Reaktor von den Balkonen ihrer Hochhäuser beobachten. In den Wohnungen stehen bis heute teilweise noch die aufgereihten Puschen und die Einweckgläser der einstigen Bewohner. Nachts streifen Wildschweine, Füchse und Wölfe durch die menschenleeren Straßenzüge.
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AKW-Abschaltung nach wie vor unpopulär
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Eine Explosion im vierten Reaktorblock des AKW Tschernobyl führte zum größte zivilen Atomunfall inder Geschichte (Foto: Packeiser/.rufo) |
Mehrere tausend Personen arbeiten allerdings auch nach der endgültigen Abschaltung des letzten Tschernobyl-Reaktorblocks noch in der evakuierten Zone, überwachen das stillgelegte Kraftwerk oder sind für den Forstbetrieb Tschernobyl-Holz tätig. In der einstigen Kreisstadt Tschernobyl gibt es Läden, eine Poliklinik, eine orthodoxe Kirche und sogar ein Hotel. Rimma Kisseliza pendelt wie die meisten Menschen im Zwei-Wochen-Takt zwischen ihrer Arbeitsstelle in Tschernobyl und der Familie im 80 Kilometer entfernten Tschernigow.
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Sie versteht bis heute nicht, warum der damalige ukrainische Staatschef Leonid Kutschma die Abschaltung des Atomkraftwerks absegnete. Denn eine Gefahr sei von dem für die Energieversorgung des Landes notwendigen Kraftwerk nicht mehr ausgegangen, so die einhellige Meinung in der Tschernobyl-Zone.
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Ohne Atomstrom gibt es kaum etwas, womit die Menschen hier ihren Lebensunterhalt sichern könnten darum hoffen viele jetzt verstärkt auf eine größere Zahl von Besuchern. Sie fahren schon wieder zurück?, fragt die Köchin des Besucherzentrums zum Abschied. Das nächste Mal sollten Sie aber wirklich über Nacht bleiben.
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(epd)
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