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Frischer Fisch garantiert! Der Seliger See ist reich an Zander und der getrocknete Aal eine hiesige Spezialität. (Foto: mb/.ru)
Frischer Fisch garantiert! Der Seliger See ist reich an Zander und der getrocknete Aal eine hiesige Spezialität. (Foto: mb/.ru)
Freitag, 20.05.2011

Ostaschkow – verträumtes Tor in ein Naturparadies

Ostaschkow. Wer nach Ostaschkow am Seliger-See kommt, sucht nicht das Russland aus dem Reisekatalog. Hier gibt es anderes zu entdecken als Zaren-Glanz. Im Hinterland verborgen: Der Quell von Mütterchen Russlands Lebensader.

Malerische Holzhäuser mit angegrauter Patina, die sich unter mächtige alte Bäume ducken. Staubige Straßen und endlos scheinende Gärten. Das unscheinbare Ostaschkow schmiegt sich zärtlich an den Seliger-See, auf dem Passagierschiffe gemächlich ihre Bahnen zu den Inseln ziehen.

Die Kuppeln der im Zweiten Weltkrieg zerstörten Verklärungs-Kathedrale in Ostaschkow. (Foto: mb/.rufo)
Die Kuppeln der im Zweiten Weltkrieg zerstörten Verklärungs-Kathedrale in Ostaschkow. (Foto: mb/.rufo)
Dieses Postkartenidyll gibt es wirklich. Vom Auslandstourismus gänzlich unberührt, erschließt sich hier im Süden der Waldaihöhen eine der schönsten Landschaften des westlichen Zentralrusslands.

Ostaschkow, heute im Gebiet Twer gelegen, wird im Jahr 1371 zum ersten Mal erwähnt: anfangs noch als „Klitschen“, wie es einer Urkunde des litauischen Großfürsten Algirdas an den Patriarchen von Konstantinopel zu entnehmen ist, der es als Grenzort des Großfürstentums Moskau festlegte.

Zerstört und erfolgreich wieder aufgebaut


1393 war es jedoch schon wieder vorbei mit der Herrlichkeit, die Nowgoroder eroberten und zerstörten den Ort. Einer der wenigen Überlebenden, ein Fischer Namens Ostaschko (eine volkstümliche Koseform von Jewstafi) gründete auf der Halbinsel am Südufer des Seliger-See ein neues Dorf.

Ostaschkow - Nützliches und Wissenswertes

Anreise


Mit dem Auto: Ostaschkow liegt etwa 190 Kilometer westlich von Twer. Auf der M10 geht die Fahrt bis Torschok, von dort auf der A111 weiter bis Ostaschkow.
Mit der Eisenbahn: Von St. Petersburg bis Bologoje, von dort gibt es regelmäßige Zugverbindungen nach Ostaschkow. Moskau wird direkt angefahren.
Mit dem Bus: Direktbusse von Moskau und St. Petersburg einmal täglich nach Ostaschkow. Zusätzliche Busse fahren am Wochenende (Freitag, Samstag, Sonntag). Sonst regelmäßiger Busverkehr ab Twer.

Übernachten und Essen


Eine einfache Unterkunft findet man durchaus schon ab ca. 15 Euro. Auch gibt es in den umliegenden Dörfern günstige Übernachtungsmöglichkeiten für jeden Anspruch.

Einige dieser Pensionen betreiben auch ein kleines Restaurant mit günstigem Essensangebot. Je nach Saison kommt schon auch mal Wild auf den Tisch. Außerdem natürlich fangfrischer Fisch in Hülle und Fülle. Und der getrocknete Aal vom Markt und von privat gilt als Spezialität.

Aktivitäten


Es finden sich reichlich Möglichkeiten zum Boote auszuleihen, um die Ruhe des Seliger-Sees vom Wasser aus zu genießen. Auch werden zahlreiche geführte Exkursionen und Fahrradtouren in die Umgebung angeboten.
Zudem werden Jagdtouren in die dichten Wälder rund um Ostaschkow organisiert. Die Abschusszeiten richten sich nach den üblichen Regelungen für die Schonzeit. Der Biber kann bereits für 12,50 Euro bejagt werden, bei größerem Wild steigen natürlich auch die Preise. So schlägt ein kapitaler Elch mit etwa 1.000 Euro zu Buche, einen Bären darf man ab 2.500 Euro vor die Flinte nehmen.
Wem die Knallerei jedoch zu laut ist, dem sei der Angelschein für 2,50 Euro pro Woche angeraten. Und wenn die Fische gar nicht beißen, helfen vielleicht die zwei Museen, die Ostaschkow beheimatet.
Profil-Museum: Lokale Geschichte und Volkskunde mit 10.972 Exponaten zur Stadtgeschichte. Ul. Volodarsky 19.
Seliger-Museum: Naturkundliche Ausstellung über die Region um den Seliger See. Ul. Telmana 18.
Eine Agentur, die vor Ort weiter hilft, befindet sich in Ostaschkow am Leninski Prospekt 47 und unter der Hausnummer 117 finden Sie im Notfall das Hospital mit Poli- und Dentalklinik sowie einen Tierarzt.

Ostaschkowo, wie die Ortschaft genannt wurde, wurde etwas später dem Moskauer Patriarchat zugeteilt. Mittlerweile auch mit einem weiteren Dorf, dem nach dem Gründer Timofei benannten Timofeijewo, verschmolzen, entwickelte sich ab 1587 eine befestigte Handelssiedlung.

Ein Provinzstädtchen mit Schattenseiten


Ostaschkowski Gorodok, das Ostaschkower Städtchen, wie es sich nun nannte, bekam 1770 das Stadtrecht verliehen und gehörte ab 1775 zum Gouvernement Twer. 1772 wurde die Stadt nach den Plänen des St. Petersburger Architekten Iwan Starow zu einem schmucken Provinzkleinstädtchen mit geradliniger Straßenführung und klassizistischen Gebäuden ausgebaut.

Einem dunklen Kapitel begegnet Ostaschkow im Zweiten Weltkrieg. Die Stadt beherbergte das „Kriegsgefangenenlager 41“ für deutsche Kriegsgefangene, sowie ein Kriegsgefangenenhospital für schwer Erkrankte. Zeugnis gibt davon heute noch der Friedhof für die Inhaftierten mit etwa 1800 Gräbern.

Kaum Industrie, dafür Kleinode


Heute hat sich Ostaschkow mit seinen knapp 20.000 Einwohnern vor allem zu einem touristischen Zentrum am südlichen Rand der Waldaihöhen gemausert. Zumal der Seliger-See als eines der populärsten Urlaubsgebiete Zentral- und Westrusslands gilt und zu herrlichen Entdeckungstouren in wunderschöne Landschaften einlädt.

Es gibt sehr wohl etwas Leichtindustrie in Ostaschkow. Die jedoch beschränkt sich auf Fleisch und Fisch sowie die Lederverarbeitung. Und es gibt eine Brauerei vor Ort und jede Menge Angler, Jäger und Pilzsammler, die ihren Urlaub in den Ferienhäusern der Umgebung verbringen.

Naturelle und weltliche Schätze


Ein besonderer Schatz befindet sich etwa 40 km nordwestlich von Ostaschkow. Im unscheinbaren Dorf Wolgowerchowje entspringt das russischste aller russischen Heiligtümer: Mütterchen Wolga erblickt schüchtern das Licht der Welt. Alljährlich sammeln sich Gläubige aus ganz Russland in Ostaschkow zu einer Pilgerwanderung dorthin.

Dementsprechend gut ist auch die im zweiten Weltkrieg zerstörte und wieder errichtete Verklärungs-Kathedrale der Stadt besucht. Ein Stück weiter zeugen zwei rote Backsteinhäuser vom ehemaligen Stadttheater, das 1805 als eines der ersten in Russland eröffnet wurde.

Glocken, Kloster, Feuerwehr


Außerdem findet sich hier der hölzerne Glockenturm der ersten freiwilligen Feuerwache aus dem Jahr 1843. Heute ist der Turm ein Aussichtsturm mit Glockenausstellung: Läuten ist ausdrücklich erlaubt!

Blick vom Glockenturm des Nilow-Klosters auf den Seliger-See (Foto: ld/.rufo)
Blick vom Glockenturm des Nilow-Klosters auf den Seliger-See (Foto: ld/.rufo)
Wenn allerdings Glocken über den See hinweg läuten, dann kommt das von der Stolobny Klosterinsel, 10 Kilometer nördlich von Ostaschkow gelegen und per Ausflugsboot oder über eine kleine Straße zu erreichen. Auf ihr befindet sich eine Klosteranlage, die den Großteil der Insel einnimmt. Fünf Steinkirchen und 25 Gebäude formen das spätklassizistische Kloster-Ensemble Nilowa Pustyn.

Aber auch hier im Kloster hat die Geschichte ihre Narben hinterlassen. In der Zeit von 1939 bis 1941 nutzte der russischen Geheimdienst NKWD die Anlage als Kriegsgefangenen-Lager für überwiegend polnische Insassen. So wurde Ostaschkow zur Vorgeschichte des Massakers von Katyn.



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