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Der Kreml hält die Hand auf dem Ölhahn. Foto: Rufo |
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Freitag, 24.12.2004
Russischer Staats-Ölkonzern ergreift Yukos-ErbeVon Lothar Deeg, St. Petersburg. Vier Tage nach der Moskauer Zwangsauktion wurde klar, wer hinter der nicht einmal über einen Briefkasten verfügenden "Baikal Finance Group" steht, die für sieben Milliarden Euro die Yukos-Tochter Juganskneftegas ersteigerte: Es handelt sich um den Ölkonzern Rosneft. Das in Staatsbesitz stehende Unternehmen erklärte, den Auktionsgewinner inzwischen erworben zu haben. Der Yukos-Konzern weiß jetzt immerhin, wen er auf Schadenersatz für den - seiner Meinung nach - illegalen Verkauf verklagen kann.
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Mit dem Erwerb durch Rosneft ist der Weg des beschlagnahmten Yukos-Kernstücks aber wohl noch nicht zu Ende: Rosneft und Gasprom hegen schon länger konkrete Fusionspläne - und daran ändern auch "die neuen Erwerbungen von Rosneft" nichts, erklärte der Pressedienst des halbstaatlichen Erdgasmonopolisten Gasprom. Der Kreml hat also auf einem Umweg seine ursprüngliche Strategie zur de-facto-Verstaatlichung von Yukos doch umgesetzt.
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Der Staat soll im Endeffekt bestimmend sein
Während im üppig Devisen bringenden Erdgasgeschäft Gasprom als Monopolist den Ton angibt, besteht Russlands Ölindustrie aus über einem halben Dutzend großer Unternehmen. Sie sind teils-teils im Besitz russischer Eigner, ausländischer Investoren oder auch des Staates. Wirtschaftspolitisches Fernziel der Administration Putin - trotz zahlreicher Lippenbekenntnisse zum freien Markt - ist, in beiden Sektoren den Staat zur bestimmenden Größe zu machen: Zu diesem Zweck soll der bisher bei 39 Prozent liegende staatliche Aktienanteil an Gasprom zur Mehrheit aufgestockt und zugleich ein neuer starker, staatseigener Ölkonzern geschaffen werden.
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Deshalb gründete Gasprom erst vor gut einem Monat eine Tochter namens "Gaspromneft". Sie sollte neben den bisherigen Ölaktivita des Konzerns auch das vom Gerichtsvollzieherdienst betont günstig zur Zwangsversteigerung ausgeschriebene Yukos-Filetstück Juganskneftegas schlucken. Die zum Erwerb von Jugansk nötigen Milliarden wollte sich Gasprom kurzfristig bei westlichen Banken zusammenleihen. Parallel arbeiten Gasprom und das staatseigene Ölunternehmen Rosneft an einer Fusion via Aktientausch: Die Idee dahinter war, dass durch das Einbringen von Rosneft in den Gasprom-Konzern der Staatsanteil beim Gasgiganten auf über 50 Prozent steigen sollte.
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Strippenziehen im Hintergrund
Mit dem vor einem texanischen Gericht eröffneten Bankrottverfahren machte das Yukos-Management jedoch einen Strich durch diese Rechnung: Die Kreditgeber unter Führung der Deutschen Bank sprangen wegen möglicher Konsequenzen in den USA ab - und auch Gasprom bekam kalte Füße: Im Falle eines Rechtsstreits drohte eine Beschlagnahme von Exporterlösen zur Entschädigung von Yukos. Insgeheim wurde deshalb einen Tag vor der Versteigerung Gaspromneft an nicht näher bekannte Privatiers verkauft - und damit abgeschrieben.
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Während Gasprom in diesem Moment wohl eher Schadensbegrenzung betrieb, konstruierten Strippenzieher im Hintergrund eine neue Masche: "Baikal Finance Group", eine von ursprünglich drei Briefkastenfirmen, die sich für Juganskneftegas interessierten, erhielt grünes Licht zum Handeln: Die Anzahlung in Höhe von 1,3 Mia. Euro kam entweder auf Schleichwegen aus dem Stabilisierungsfonds der Regierung oder - was wahrscheinlicher ist - vom privaten, aber sehr staatstreuen Ölkonzern Surgutneftegaz. Der ist gegenwärtig die Nr. 4 im russischen Ölbusiness.
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"Surgut" jedenfalls hat derartige freie Mittel - und stellte offenbar auch die Organisatoren der "Baikal Finance Group": In dem Herrn und der Dame, die bei der Blitzauktion 260 Milliarden Rubel (7 Mia. Euro) boten, wurden zwei führende Manager des Ölkonzerns erkannt. Präsident Wladimir Putin wiederum sprach bei seinem Treffen mit Bundeskanzler Gerhard Schröder von "einigen Privatpersonen aus dem Energiegeschäft", die hinter dem geheimnisvollen Aufkäufer stünden.
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Putin: Der Staat stützt seine Interessen
Diese Leute haben nun offensichtlich bereits ihre Schuldigkeit - und wohl auch ihren Schnitt - getan: Nun teilte Rosneft mit, dass es jene "Baikal-Gruppe" gekauft habe - für wie viel, darüber legt sich einmal mehr der Mantel des Schweigens. Juganskneftegas ist jetzt in der Hand des Kremls: Aufsichtsratsvorsitzender bei Rosneft ist Igor Setschin, Vize-Chef von Wladimir Putins Präsidialverwaltung. Er galt schon zuvor als einer der Initiatoren des Feldzugs gegen Yukos. Und gerade Setschin soll, so die Wirtschaftszeitung "Wedomosti", nach der Verhaftung des politisch ambitionierten Yukos-Chefs Michail Chodorkowski darauf bestanden haben, auch dessen Ölkonzern zu zerschlagen.
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Präsident Wladimir Putin bezeichnete die Jugansk-Übernahme durch Rosneft auf seiner jährlichen großen Pressekonferenz als rechtens. Der Staat schütze jetzt seine Interessen mit "marktwirtschaftlichen Methoden", während "einige Unternehmen Anfang der 90er Jahre mit Tricks und Gesetzesverstößen Milliardenwerte aus Staatsbesitz an sich gebracht" hätten, so Putin.
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Yukos-Erbe geht im Endeffekt an den Kreml
Yukos-Sprecher Alexander Schadrin erklärte, nach Klärung der Käufer-Identität werde seine Firma nun eben das "geschätzte Unternehmen" Rosneft verklagen. Yukos sieht sich durch die Auktion um 20 Milliarden Dollar geschädigt. Der bisherige Gang der Dinge im Fall Chodorkowski-Yukos zeigt aber, dass zumindest vor russischen Gerichten da wenig zu holen sein wird - bei diesem Gegner...
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Genauso offensichtlich ist aber auch, das Rosneft (Fördervolumen 2004: 22 Mio. Tonnen) nur kurzfristig die Hand auf "Jugansk" (50 Mio. Tonnen) halten kann. Denn bis zum 11. Januar muss die Restsumme des Auktionspreises in Höhe von 5,7 Milliarden Euro bezahlt sein. Internationale Kreditoren stehen "seit Houston" dafür nicht bereit - und das russische Bankensystem ist für solche Mega-Deals zu schwach. Bleibt also nur ein Weiterverkauf. Der endgültige Empfänger des Yukos-Erbes wird deshalb wohl ein Kreml-treues Konsortium sein: mit Gasprom-Rosneft als staatliche Stütze, Surgutneftegaz als Co-Financier und - Putin deutete es schon an - dem chinesischen Konzern CNPC: Denn China giert nach Russlands Öl. Und kann es sich leisten, dafür texanische Gerichte zu ignorieren. (Lothar Deeg, .RUFO)
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