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Montag, 25.03.2002

Duma-Chef Selesnjow gerät ins Wanken

Moskau (rUFO/kp). Durch geschicktes Taktieren hatte der kommunistische Duma-Chef Gennadij Selesnjow sich bislang immer sowohl mit seiner Partei, als auch mit dem Kreml arangieren können. Nun könnten Selesnjows Tage als Duma-Vorsitzender gezählt sein. Nachdem das Parlament ihm in der vergangenen Woche zuerst seine entscheidende Stimme bei Sitzungen des Duma-Rats aberkannt hat, soll nun womöglich bereits im April über Selesnjows Absetzung abgestimmt werden.

Sollten die Kreml-treuen Zentristen einen Marschbefehl von der Staatsführung erhalten haben, werde die Ablösung des Parlamentschefs ohne Probleme über die Bühne gehen, glaubt der unabhängige Abgeordnete Wladimir Ryschkow. Nach einer Abwahl Selesnjows werde die russische Duma endgültig aufhören, eine Rolle als selbstständige politische Kraft zu spielen, sagte Ryschkow dem Radiosender „Echo Moskaus“.

Kaum ein Parlamentarier hat so oft gegen die Fraktionsdisziplin verstoßen, wie Duma-Chef Gennadij Selesnjow. Um seine Treue gegenüber dem Kreml zu unterstreichen, gründete der ehemalige Chefredakteur der kommunistischen Parteizeitung „Prawda“ sogar eine eigene links-liberale Bewegung „Rossia“. Seitdem fragen sich seine kommunistischen Parteifreunde, ob „Rossia“ eigentlich ein Partner oder doch eher ein Rivale der KP ist. Der Duma-Chef hat sich auch wütende Hasstiraden gegen das „volksfeindlich Kreml-Regime“ stets gewissentlich verkniffen. Die russische Führung revanchierte sich, als Selesnjow 1999 Gouverneur des Moskauer Gebiets werden wollten. Trotz kaum verdeckter Unterstützung musste sich der Kommunist jedoch bei der Stichwahl dem Afghanistan-General Alexander Gromow geschlagen geben.

Selesnjow verdankt seinen Posten einer Absprache zwischen den Kommunisten und der nur Monate vor den vergangenen Duma-Wahlen gegründeten Kreml-treuen Partei „Jedinstwo“ („Einheit“). Auf Kosten der kleinen Fraktionen hatten die beiden Parteien, die zumindest offiziell gegensätzlichen Weltanschauungen anhängen, alle Schlüsselposten in der Duma unter sich aufgeteilt.

Bereits im vergangenen Juni war Selesnjows Stuhl zum ersten Mal ins Wanken geraten. Kommunistische Hardliner hatten bei einer Abstimmung über das von ihnen kategorisch abgelehnte Bodengesetz Tumulte im Parlamentssaal organisiert.

Auch jetzt scheint der gewitzte Kommunist einmal mehr fähig, sich aus der Krise zu winden. In einem Interview mit der Regierungszeitung “Rossijskaja Gaseta“ deutete Selesnjow an, er könne sich durchaus vorstellen, seine Mitgliedschaft in der KP ruhen zu lassen, solange er Parlamentschef sei.

Mit einer solchen Lösung könnten alle Beteiligten der gegenwärtigen Polit-Intrige leben, zumal es momentan es noch keine klare Alternative für den alteingedienten Duma-Chef gibt. Zwar werden als mögliche Nachfolger für Selesnjow unter anderem der Finanzexperte Alexander Schukow oder der schwergewichtige ehemalige Steuerminister Georgij Boos gehandelt.

Doch die jüngste Einsetzung von Sergej Mironow zum neuen Chef des Föderationsrats scheint die Experimentierfreude des Kremls nicht gefördert zu haben. Der Petersburger ließ in den wenigen Wochen nach seiner Wahl in den dritthöchsten Staatsposten kaum ein politisches Fettnäpfchen aus und sorgte bei einer Nahost-Reise gar für einen ausgewachsenen diplomatischen Skandal, als er unerwartet ein Treffen mit Palästinenser-Führer Jassir Arafat platzen ließ.

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