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Zwei Transatlantik-Flüge mit Umsteigen in Wien: Links die russische, rechts die amerikanische Maschine (Foto: vesti.ru)
Zwei Transatlantik-Flüge mit Umsteigen in Wien: Links die russische, rechts die amerikanische Maschine (Foto: vesti.ru)
Freitag, 09.07.2010

Agententausch unter Freunden: Russland und USA quitt

Wien/Moskau. Russland und die USA haben dezent einen Schlussstrich unter den Spionageskandal gezogen: Die zehn in den USA aufgeflogenen Hobby-Agenten wurden gegen vier in Russland verurteilte Profis ausgetauscht.

Flughafen Wien-Schwechat am Freitag Vormittag: Neben einer seit dem frühen Morgen unauffällig auf dem Vorfeld stehenden Yak-42 des russischen Katastrophenschutzes rollt jene Charter-Boeing aus, in die in New York am Abend zuvor die mutmaßlichen Mitglieder der russischen Undercover-Agentengruppe gesetzt worden waren.

Russische Agenten nannten ihre echten Namen


Ein Gericht hatte sie zuvor im Schnellverfahren wegen nicht erlaubter Tätigkeit für einen ausländischen Geheimdienst zu zehn Tagen Haft verurteilt – sowie zur Beschlagnahme ihres gesamten Eigentums, sofortigen Abschiebung und ewigem Einreiseverbot für die USA.

Bei dieser Gelegenheit hatten die zehn zum Teil seit Jahrzehnten in den USA lebenden Personen ihre Schuld anerkannt – und ihre wahren Namen als russische Staatsbürger genannt. Drei von ihnen, darunter auch die schon von manchen Medien zur neuen „Mata Hari“ hochstilisierte Immobilienmaklerin Anna Chapman, hatten allerdings keine falsche Identität angenommen.

Russland entlässt vier Häftlinge


Das russische Flugzeug hatte vier Männer nach Wien gebracht, die der Kreml als Gegenleistung für seine ausgehobene Kundschafter-Truppe bereit war, ziehen zu lassen: Alexander Saporoschski, Gennadi Wassilenko und Sergej Skripal, drei ehemalige Geheimdienstoffiziere, die in den letzten Jahren als britische oder US-Agenten überführt worden waren und im Gefängnis saßen – sowie der wegen Landesverrats zu 15 Jahren verurteilte zivile Nuklearexperte Igor Sutjagin, der bereits 1999 festgenommen worden war.

Dem früheren Militärfachmann des USA-Kanada-Forschungsinstitutes der Akademie der Wissenschaften war vorgeworfen worden, für eine britische CIA-Tarnfirma Informationen über die russische Atomrüstung geliefert zu haben.

Der von „amnesty international“ als politischer Häftling anerkannte Wissenschaftler hatte sich aber bis zuletzt als nicht schuldig bezeichnet, da er alle Daten aus frei zugänglichen Quellen beschafft haben will. Erst unmittelbar vor seiner Abschiebung unterzeichnete er ein Schuldeingeständnis und ein Gnadengesuch – nach seinen eigenen Worten, weil er sonst keine Chance sehe, vor dem endgültigen Ablauf seiner Haftzeit freizukommen.

Echte Spione - oder nur glücklose Agenten?


Auch bei den in den USA aufgeflogenen Agenten blieb bis zuletzt unklar, ob sie denn wirklich irgendwelche Staatsgeheimnisse verraten haben: Der Vorwurf der Spionage wurde in New York nicht mehr laut, es war nur von einer verbotenen Geheimdienst-Zuarbeit die Rede. Insofern scheint der „Kurs“ von 10:4 beim ersten West-Ost-Agentenaustausch seit 1986 durchaus gerechtfertigt: Russland bekam seine in den USA ein bürgerliches Leben führende Nebenberufs-Agenten ohne Insiderkenntnisse zurück – und überstellte den Amerikanern dafür Profis ihres jeweiligen Metiers.

Pragmatische Flurbereinigung ohne echten Prozess


Beide Seiten bemühten sich, dem Austausch eine freundschaftliche Note zu geben – er erfolge „im Geiste der prinzipiellen Vereinbarungen auf höchster Ebene zwischen Moskau und Washington über den strategischen Charakter der russisch-amerikanischen Partnerschaft“, tönte das russische Außenministerium.

Bei Russland-Aktuell
• Agenten-Austausch auf Wiener Flughafen angelaufen (09.07.2010)
• Beim Agententausch steht es 10:4 für Russland (09.07.2010)
• Agentenaustausch: Kreml bietet Forscher für Spione (07.07.2010)
• Agentenaffäre: Wollte „Bond-Girl“ nach Moskau fliehen? (01.07.2010)
• Spionageskandal: Der Neustart soll boykottiert werden (29.06.2010)
Kurzum: Der propagierte „Relaunch“ der Beziehungen der beiden führenden Atommächte ist wichtiger – Obama und Medwedew waren überein gekommen, sich den für Moskau wie Washington peinlichen öffentlichen Prozess gegen die russische Agentur-Zelle zu sparen und die Sache mit einer Flurbereinigung aus der Welt zu schaffen. Das Tempo, mit dem der Deal dabei innerhalb weniger Tage eingefädelt und umgesetzt wurde, sagt viel darüber aus, wie gut Diplomaten und Geheimdienstler beider Länder inzwischen miteinander klar kommen.

Nach einer Stunde und etwas nur aus der Ferne zu beobachtenden Hin und Hers von Personen auf den Gangways und Pendelfahrten eines dunklen Kleinbusses war der Austausch in Wien beendet – die geheimnisvollen Flugzeuge starteten wieder. Alles lief schnell und ganz geschäftsmäßig – denn das entsprechende Agentenaustausch-Know-How aus dem Kalten Krieg wird bei beiden Seiten ja auch noch hinreichend vorhanden sein.

Ausgetauscht, aber nicht ausgebürgert


In Russland legt man im übrigen Wert auf ein wichtiges Detail: Anders als zu Sowjetzeiten wurden die vier Ausgetauschten nicht ausgebürgert. Sutjagin erhielt vor seiner Abreise noch einen neuen russischen Pass, erklärte seine Anwältin. Im Prinzip können er und seine drei Schicksalsgenossen wieder postwendend nach Russland zurückkehren – als freie Bürger.

Auch von den aus den USA abgeschobenen Anna Chapman und Vika Pelaes ist bekannt, dass sie nicht in Russland bleiben wollen: Sie haben auch noch (echte und gültige) Pässe aus Großbritannien bzw. Peru - und wollen sich nach dem leicht absurden Agentenabenteuer dort niederlassen.

Gegen 17.40 Uhr Ortszeit landete die aus Wien kommende Maschine mit den Ausgetauschten auf dem Flughafen Moskau-Domodedowo. Kurz darauf meldeten britische Medien, das US-Flugzeug sei auf dem britischen Militärstützpunkt Brize Norton gelandet. Offen blieb zunächst, ob dies ein Zwischenstopp oder das Ziel des Fluges ist.


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