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Im Kampf gegen die Schlammschicht - und das ohne Leitungswasser, Strom und Gas: Flutopfer in Krymsk (Foto: kotenarina.lj.com)
Im Kampf gegen die Schlammschicht - und das ohne Leitungswasser, Strom und Gas: Flutopfer in Krymsk (Foto: kotenarina.lj.com)
Dienstag, 10.07.2012

Verwüstete Stadt findet langsam zur Notstands-Routine

Krymsk. In der von einem Hochwasser schwer heimgesuchten Stadt Krymsk ist das Chaos der ersten Tage nach und nach einem verwalteten Notstand gewichen: Wasser und Essen werden verteilt, der Wiederaufbau koordiniert.

In den ersten Tagen fühlten sich viele Überlebende in ihren verwüsteten Häusern allein gelassen: Weder waren sie vor dem heranrollenden Hochwasser gewarnt worden, noch kam dann schnell Hilfe beim Aufräumen der Schäden. Wer sauberes Wasser, neue Kleidung oder Essenspakete wollte, musste sich – oft kilometerweit - ins Stadtzentrum begeben, wo es die ersten Verteilerstellen gab.

Wasser, Strom und Gas sind in der Stadt noch immer abgestellt, doch versprechen die Behörden nun immerhin die Wiederherstellung der Gasversorgung innerhalb von zwei Tagen. Trinkwasser wird vom Katastrophenschutz zu zehn Stellen im Stadtgebiet gefahren, wo freiwillige Helfer es an die Bürger ausgeben. Auch verteilen Fahrzeuge entlang bestimmter Routen Essenspakete.

Nachbarkommunen übernehmen straßenweise die Kontrolle


Die von der Flutwelle aus den Bergen zerstörten Stadtteile wurden unterdessen in 40 „Kommandanturen“ unterteilt, in denen jeweils eine Stadt oder ein Landkreis aus dem Gebiet Krasnodar mit seinen Leuten die Koordination übernommen hat.

Die Leiter der einzelnen Kommandanturen sollen nun die Lage in ihrem Zuständigkeitsgebiet genau erfassen, die notwendigen Arbeiten planen und aus ihrer Heimatstadt oder -region die erforderlichen freiwilligen Helfer, Baumaterialien, Maschinen sowie Lebensmittel, Kleidung, Einweggeschirr und Hygieneartikel organisieren, berichtet RIA Novosti.

Kampf der Gerüchteküche


Aufgabe der Kommandanturen ist aber auch, die Stimmung der Betroffenen unter Kontrolle zu halten, um „Provokationen“ zu vermeiden.

Bei Russland-Aktuell
• Köpfe rollen nach Flutkatastrophe in Südrussland (09.07.2012)
• Flut: Behörden gestehen Fehler bei Warnungen ein (09.07.2012)
• Hochwasser: Zahl der Todesopfer steigt auf 171 (09.07.2012)
• Flutwelle überrollt südrussische Städte: Über 150 Tote (08.07.2012)
• Donnerndes Stadtfest: Schwere Gewitter über Kaliningrad (09.07.2012)
Darunter verstehen die Krymsker Behörden vor allem das Verbreiten von Gerüchten: So brach in der Stadt gestern partiell Panik aus, weil jemand behauptet hatte, eine zweite Wasserwelle sei aus den Bergen unterwegs in Richtung Stadt.

Auch wurde verbreitet, in Krymsk seien doppelt bis dreimal mehr Menschen ertrunken als offiziell dargestellt. Selbst der unabhängige Internet-TV-Sender doschd.tv, der in den letzten Tagen bevorzugt die Betroffenen (und deren Theorien über Ursache und Schuldige der Flutwelle) zu Wort kommen ließ, dementierte jetzt ein solches Gerücht: Angeblich seien auf dem Friedhof schon 400 Gräber ausgehoben worden, hieß es. Ein Nachzählen ergab aber nur 40 Grabstellen.

172 Tote, 30.000 Geschädigte


Gemäß amtlichen Angaben kamen 172 Menschen bei der Flut um, bis auf zehn Opfer in Noworossijsk und Gelentschik halle im Landkreis Krymsk. Dessen Verwaltung veröffentlichte heute eine Namensliste mit 149 identifizierten Toten.

30.000 Menschen haben durch das Unwetter teilweise oder ganz ihren Besitz verloren. Völlig zerstört wurden 400 Häuser. Katastrophenschutzminister Wladimir Putschkow erklärte heute, dass die geplanten Neubauten für die Obdachlosen nur an Stellen errichtet werden, die sicher vor neuen Überflutungen seien.

Ablaufkanäle waren verbaut


Unterdessen werden auch Vorwürfe laut, dass die ohnehin nicht ausreichende Vorsorge gegen Hochwasser in dem Katastrophengebiet durch fahrlässige Baumaßnahmen unterhöhlt wurde: In Krymsk sei ein Auffangbecken für Sturzbäche mit Betonplatten abgedeckt worden, um dort einen Möbelmarkt einzurichten.

Außerdem hätte man zu viele und zu niedrige Brücken über das Flussbett des Adagum geschlagen, das zudem von den kommunalen Behörden nicht vom Schlamm gereinigt worden sei.

Im ebenfalls schwer betroffenen Gelendschik wurde hingegen ein privater Hausbesitzer für die Überflutung von fünf Nachbarhäusern verantwortlich gemacht: Der Mann habe in einem Hochwasserkanal ein Schwimmbad errichtet. Dessen Betonwände hätten die Wassermassen dann in die Wohnsiedlung umgelenkt.

Krymsker Verwaltung betreibt Legendenbildung unter Zwang


Flutbetroffene in Krymsk berichten unterdessen, dass man ihnen als Bedingung für den Erhalt von Schadensersatz eine Unterschrift unter eine Erklärung abverlangt, dass sie schon um 22 Uhr in der Unglücksnacht von den Behörden über die Notlage informiert wurden.

„Man hat mir im Stab gesagt, dass man ohne dieses Papier keine Kompensation bekommt“, sagte eine Frau gegenüber der Zeitung „Kommersant“. „Ich habe unterschrieben, obwohl das alles Lüge ist“, so das erzürnte Flutopfer.



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