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Mittwoch, 29.05.2002

Urlaubstrend: Stutenmilch am Kosmodrom

Von Karsten Packeiser (Moskau). Davon haben wir immer geträumt: mitten in der Steppe im bequemen Liegestuhl sitzen, ein Glas Stutenmilch in der Hand, und dann den Start russischer Trägerraketen ins Weltall anschauen. Kirsan Iljumschinow, umstrittener Präsident der russischen Teilrepublik Kalmückien, macht es möglich. In seinem dünn besiedelten Reich soll ein neuer Weltraumbahnhof entstehen. „Weltraumflüge sind so etwas ähnliches wie eine Show“, erklärte der extravagante Steppenherrscher. „Wir werden ein Stadion bauen und Eintrittskarten an die Zuschauer verkaufen.“

An Interessenten, die in der Hauptstadt Elista (das kalmückische Wort für „sandig“) dem Treiben auf Iljumschinows Kosmodrom zuschauen möchten, werde kein Mangel herrschen, glaubt der Präsident. Zudem sei die russische Steppe als Raketenstartgelände einfach besser geeignet, als die kasachische in Baikonur. In der russischen Raumfahrtbehörde RAKA löste Iljumschinows Initiative dagegen mittelschwere Irritationen aus.

Die Moskauer Raumfahrtbürokraten haben keine Vorstellung davon, wie der Präsident und erklärte Freund von Saddam Hussein die schätzungsweise 10 Milliarden US-Dollar zusammenkratzen will, die für den Bau eines Weltraumbahnhofs notwendig wären. Außerdem könnte es gut passieren, dass die abgebrannten Raketenstufen nicht – wie von Iljumschinow versprochen – allesamt ins Kaspische Meer, sondern zuweilen dann doch den kalmückischen Schafhirten auf die Köpfe fallen.

Man könnte die vollmundigen Pläne als bloße Phantasien abtun, wenn der umtriebige Iljumschinow nicht schon des Öfteren seinen Anspruch auf den Weltmeistertitel im Luftschlösser-Bau angemeldet hätte. Immerhin brachte Iljumschinow es zum Chef des Weltschach-Verbandes FIDE und ließ in dieser Eigenschaft 1998 die Schach-Olympiade in seiner sandigen Hauptstadt abhalten, in die sich zuvor kaum je ein Ausländer verirrt hatte. Die am Stadtrand von Elista eigens hochgezogene „City-Chess“ ist zwar letztendlich doch zu einem Millionengrab geworden, weil in sich in Kalmückien die Nachfrage nach teuren Elite-Büroflächen in Grenzen hält. Die verarmte Republik belegte schließlich schon zu Sowjetzeiten in allen Wirtschafts- und Sozialstatistiken die stets einen der hintersten Plätze.

Davon ließ sich der nach eigenen Angaben steinreiche Präsident aber nicht wirklich die Laune verderben. Auf Geld vom Staat hofft Iljumschinow nicht, er will, dass Privatunternehmen in seinen Weltraumbahnhof investieren. Mitten in seiner Schach-Fata-Morgana-Stadt aus Stahl und Glas stellte Iljumschinow ein Denkmal auf für sein großes Vorbild Ostap Bender, den zweifellos berühmtesten Hochstapler der russischen Literatur.

Auch die neuen Weltraumpläne dürften Iljumschinows Popularität unter seinen Wählern keinen Abbruch tun, selbst, wenn auch in Zukunft nicht abstürzende Raketentrümmer sondern Wanderdünen und gefräßige Heuschreckenschwärme die Hauptprobleme der Kalmücken bleiben werden. Schließlich hat die Welt eigentlich erst dank dieses Präsidenten zum ersten Mal von dem buddhistischen Mongolenvolk im Süden Russlands gehört – und den Kalmücken einen Platz in der Weltgeschichte gesichert.

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