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Politkowskaja wurde vor dem Mord von den Tätern lange beschattet. Ein Tatverdächtiger wurde von der Videokamera vor ihrem Haus gefilmt. (Foto: Archiv)
Politkowskaja wurde vor dem Mord von den Tätern lange beschattet. Ein Tatverdächtiger wurde von der Videokamera vor ihrem Haus gefilmt. (Foto: Archiv)
Mittwoch, 29.08.2007

Mordfall Politkowskaja: Wie der Mord vorbereitet wurde

Moskau. Außer den unbekannten Auftraggebern des Mordes an Anna Politkowskaja fehlt unter den jetzt Festgenommenen eine Schlüsselfigur. Details der Tatversion der Staatsanwaltschaft werden bekannt. Aber es gibt einige Zweifel.

Weil der Mordfall Politkowskaja eine Schlüsselrolle in der russischen Politik spielt, lohnt es sich, den Gang der Ermittlungen möglichst genau zu verfolgen. Denn es ist ebenso falsch, den Mord sogleich dem Kreml anzulasten, wie das viele westliche Medien tun, obwohl der Mord offenbar dem Kreml politisch erheblich schadet; wie es auch unzulässig wäre, die Tatversion der Generalstaatsanwaltschaft unbesehen zu übernehmen - zumal die russische Justiz schon häufig ihre Anklagen korrigieren musste.
Aus verschiedenen russischen Medienberichten ergeben sich Details der Tatversion der Generalstaatsanwaltschaft, zugleich aber wachsen auch einige Zweifel. Die zentralen Figuren in dieser Version sind alte Bekannte und Intimfeinde der Staatsanwaltschaft, die angeblich genau das taten, was man von ihnen schon lange erwartete, während das „Fußvolk“ eher zufällig zusammengestellt erscheint. Zumindest auf den ersten Blick.

Auch wenn die Tatversion der Anklage überraschen einfach ist, wird sie dadurch nicht automatisch falsch



All das fällt zwar auf, macht allerdings die Tatversion der Staatsanwaltschaft damit auch noch nicht automatisch unglaubwürdig. Die Frage wird sein, welche weiteren Beweise vorgelegt werden.

Bei Russland-Aktuell
• Staatsanwalt Tschaika: Mordfall Politkowskaja aufgeklärt (28.08.2007)
• Nowaja Gaseta: Kadyrow kennt Politkowskajas Mörder (19.02.2007)
• Litwinenko, Politkowskaja, der CIA, der FSB und Putin (25.11.2006)
• Politkowskaja: Ermittlungen wegen Folter-Videos (23.10.2006)
• Tausende bei Trauerfeier für Anna Politkowskaja (10.10.2006)
Zentralfiguren der Anklage sind der bekannte Exil-Oligarch Boris Beresowski, sein tschetschenischer Bekannter und Unterweltboss Chodsch-Achmed Nuchajew und ein Moskauer Ex-Kripobeamter namens Sergej Chadschikurbanow.


Beresowski und Nuchajew hatten sich Anfang der 90iger Jahre in Moskau kennengelernt, wo Nuchajew das wohl wichtigste Oberhaupt der tschetschenischen Unterwelt war. Tschetschenische Schutzgeldbanden kontrollierten damals wichtige Wirtschaftsbranchen und kassierten gut.

Tschetschenen dienten Beresowski als Leibwache



Nuchajew und seine Leute dienten auch Beresowski als Leibwache und Schutztruppe, nutzten das damals de facto unabhängige Tschetschenien als Hinterland und schlossen sich später den tschetschenischen Kampfgruppen unter Dudajew an. Ihre Moskauer Verbindungen blieben vermutlich bestehen. Beresowski nutzte diese „Grosny-Connection“ wohl auch noch in seiner Zeit als Jelzin-Vertrauter und Vize-Sekretär des Nationalen Sicherheitsrates.

Bei Russland-Aktuell
• Berufungsverfahren im Klebnikov-Prozess hat begonnen (15.02.2007)
• Klebnikov: Ex-Mordverdächtige wollen Entschädigung (10.05.2006)
• Schneller Ermittlungserfolg bei Journalistenmord (27.02.2006)
• Klebnikov-Mord: Tschetschene angeklagt (24.02.2005)
• Posthume Ehrung für Klebnikov (24.11.2004)
Beresowskis dunklen Geschäfte und auch die Verbindung mit der tschetschenischen Unterwelt wurde Ende der 90iger von dem damaligen Moskauer Forbes-Korrespondenten Paul Klebnikov (Chlebnikow) in seinem Buch „Der Pate“ beschrieben. Das Buch gilt als Anfang vom Ende des Höhenfluges des Boris Beresowski. Klebnikov veröffentlichte ebenfalls unter dem Titel „Gespräche mit einem Barbaren“ ein Porträt des Beresowski-Kompagnons Nuchajew.

Hat der tschetschenische Unterweltboss Nuchajew Klebnikow und Politkowskaja auf dem Gewissen?



Als Klebnikov in Moskau erschossen wurde, fiel der Verdacht sofort auch auf Nuchajew. Er steht wegen des Mordfalls Klebnikov bis heute auf den russischen Fahndungslisten. Auch der Mord an Politkowskaja geht nach Behördenansicht auf Nuchaejws Kerbholz.

Vier der jetzt Festgenommenen sollen zu einer Bande gehören, deren Anführer Nuchajew ist. Nuchajews Statthalter in Moskau, ein gewisser Magomed Dimelchanow, soll im Frühjahr 2006 von einem Unbekannten beauftragt worden sein, mit Politkowskaja „abzurechnen“.

Dimelchanow seinerseits habe für den Job vier weitere Tschetschenen engagiert: Die Brüder Tamerlan, Dschibrail und Ibragim Machmudow und Achmed Issajew. Man habe jedoch Probleme gehabt Politkowskaja zu finden und sich deswegen um Hilfe an einen alten Bekannten gewandt, der seinerzeit als Kripobeamter Ermittlungen gegen die Nuchajew-Bande geführt hatte.

Ein Ex-Kripo-Offizier stellt den Kontakt zum Geheimdienst her



Major Sergej Chadschikurbanow ist aber auch in der Moskauer Polizeichronik kein Unbekannter. Chadschikurbanow war in der Abteilung für den Kampf gegen das organisierte Verbrechen für ethnische Gruppierungen der Unterwelt zuständig. Nachdem er im Jahre 2003 dem Unternehmer Frank Alcapone (der hieß angeblich wirklich so) ein Kilo Heroin untergeschoben hatte (was von dessen Verteidigern nachgewiesen wurde), wurde Chadschikurbanow 2004 selbst zu vier Jahren Haft verurteilt, 2006 aber gerade wieder auf freien Fuß gesetzt, als Dimelchanow ihn ansprach.

Der Major übernahm aber den Job nicht, sondern stellte nur den Kontakt zu einem FSB-Oberleutnant namens Pawel Rjagusow her. Rjagusow befasste sich qua Amt ebenfalls mit „ethnischen Banden“ im Moskauer Stadtzentrum, wo Politkowskaja wohnte. Er half den Mördern nach Ansicht der Generalstaatsanwaltschaft, ihr Opfer zu finden.

Tatverdächtige haben vielleicht ein Alibi, wissen es aber nicht genau



Nach Meinung der Verteidigung der jetzt Festgenommenen dürfte es der Anklage aber schwer fallen, diese Kontaktaufnahme zu beweisen, solange Kontaktvermittler Chadschikurbanow flüchtig ist.

Die Brüder Machmudow und deren Eltern bestreiten die Tatbeteiligung. Der ältere Bruder erklärt, er sei wohl während der Tatzeit im Krankenhaus gewesen, könne sich aber nicht mehr ganz genau an den Zeitraum seiner Krankheit erinnern. Die beiden jüngeren Brüder wollen zur Tatzeit in Tschetschenien gewesen sein.
(mig/.rufo/Moskau)


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