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Erst OMON-Einheiten schlugen die Unruhen in der karelischen Provinzstadt nieder (Foto: cityk.ru/newsru) |
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Montag, 04.09.2006
Karelien: Rassen-Krawalle im sonst stillen NordenSt. Petersburg. Im karelischen Kondopoga kam es am Wochenende zu heftigen Kaukasier-feindlichen Ausschreitungen, nachdem Tschetschenen zwei Bewohner getötet hatten. OMON-Truppen rückten ein. Es gab 100 Festnahmen.
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Aufgebrachte und angetrunkene junge Leute hatten zuvor in der Stadt etwa ein Dutzend Marktstände, Läden und Cafes von Kaukasiern verwüstet oder anzuzündet. Am Samstagabend waren die Ausschreitungen eskaliert, als ein kaukasisches Restaurant in Brand gesetzt wurde und die Sicherheitskräfte gegen die Menschenmenge einschritten.
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Ultimatum gegen Fremde: 24 Stunden zum Packen
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Zuvor hatten am Samstag etwa 2.000 Einwohner auf dem zentralen Platz der Stadt gefordert, alle in den letzten Jahren zugezogenen Kaukasier innerhalb von 24 Stunden aus Kondopoga auszusiedeln. Auch der Handel auf dem Markt müsse unter die Kontrolle von Russen gelangen, hieß es bei der Kundgebung. Anschließend zogen etwa einhundert teils betrunkene Jugendliche durch die Straßen der Stadt und bewarfen vorbeifahrende Autos mit Steinen.
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Die Gemüter überschlugen sich nicht zuletzt, weil angereiste Provokatoren die Stimmung zusätzlich anheizten: Aus Moskau und anderen Städten waren bereits Aktivisten der fremdenfeindlichen DNPI (Bewegung gegen illegale Immigration) nach Kondopoga gekommen.
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Rundfunkberichten zufolge wurde bei der Auflösung der Massenunruhen zunächst niemand festgenommen. Die Polizei fürchtete, anderenfalls könnte sich der Zorn der Menschenmasse noch vergrößern. Später wurden jedoch weitere Polizeieinheiten und Truppen des Innenministeriums nach Kondopoga verlegt und die Sicherheitsbehörden begannen mit einer Verhaftungswelle. Einem Bericht des Fernsehsenders NTW zufolge haben bereits die ersten kaukasischen Familien Kondopoga fluchtartig verlassen.
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Brutale Schlägerei zwischen Einheimischen und Tschetschenen
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Auslöser des Konflikts war eine Massenschlägerei in dem inzwischen abgebrannten kaukasischen Restaurant zwischen russischen Gästen und den tschetschenischen Angestellten am Mittwoch. Dabei waren nach unterschiedlichen Angaben zwischen zwei und vier Menschen ums Leben gekommen. Drei Beteiligte wurden schwer verletzt.
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Behörden dementieren rassistische Hintergründe
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Der Gouverneur der russischen Teilrepublik Karelien, Sergej Katanandow, versicherte in einem Interview mit dem Staatsfernsehen, es handele sich um einen Alltags-Konflikt ohne rassistischen Hintergrund.
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Alle Schuldigen würden entsprechend der geltenden Gesetze bestraft. Die Lage in der Stadt sei inzwischen wieder vollständig unter Kontrolle, hieß es. Die örtlichen Behörden ließen Flugblätter in der Stadt verteilen und darin riefen alle Einwohner dazu auf, Ruhe zu bewahren.
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129 Festgenommene, 25 verhaftet
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Insgesamt nahm die Polizei 129 Teilnehmer der Unruhen fest. Gegen 25 von ihnen erging Haftbefehl, zahlreiche Krawallteilnehmer wurden bereits zu Haftstrafen von bis zu 15 Tagen verurteilt.
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In Haft sind auch drei Männer, die verdächtigt werden, bei der Schlägerei am Mittwoch ihre Gegner getötet zu haben. Sie wurden von Vertretern der tschetschenischen Diaspora selbst den Behörden übergeben. Nach einer - möglicherweise aber nicht korrekten - Informationen aus dem karelischen Innenminsterium handelt es sich bei ihnen aber um Aserbaidschaner.
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Der karelische Innenminister Dmitri Michailow erklärte, es handele sich nicht in erster Linie um einen ethnischen Konflikt: Die wahren Gründe liegen im Streit um Eigentum. Jemand möchte sich auf diese Weise die Hände wärmen und außerdem im Wahlkampf politisches Kapital schlagen, so Michailow. In Karelien sind am nächsten Sonntag Parlamentswahlen.
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Kaukasier haben Kondopoga verlassen
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Nach Angaben der Zeitung Kommersant haben inzwischen fast alle Kaukasier Kondopoga verlassen. Etwa 200 Menschen seien bei Verwandten in Petrosawodsk untergekommen, etwa 60 hätten sich in einem dortigen Hotel einquartiert. Ein Sprecher der tschetschenischen Minderheit in Karelien sagte, wenn die Behörden seine vor dem Krieg geflohenen Landsleute nicht schützen könnten, würden sie im benachbarten Finnland um Asyl nachsuchen.
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(kp/epd-ld/rufo)
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