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Nach über 50 Jahren konnten die Angehörigen endlich Abschied von ihren erschossenen Familienmitgliedern nehmen (Foto: kp/rufo) |
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Montag, 04.07.2005
Deutsche Stalin-Opfer: Erschossen um MitternachtKarsten Packeiser, Moskau. Fast 1.000 Deutsche fielen Anfang der 50er Jahre der stalinistischen Terror-Justiz zum Opfer und wurden in Moskau erschossen. Jahrzehnte lang wurde ihr Schicksal totgeschwiegen.
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Der Moskauer Dauerregen hat für einige Minuten ausgesetzt, eine Geigerin spielt Trauermusik von Bach und etwa dreißig meist ältere Menschen kämpfen mit den Tränen. Auch für Susanne Priesemann aus Schwerin ist es ein schwerer Tag. Auf dem Friedhof des Donskoi-Klosters hat ihr Vater seine letzte Ruhe gefunden neben hunderten anderen Deutscher, die Anfang der 50er Jahre in die Mühlen des stalinistischen Terror-Systems geraten waren.
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Der brandenburgische Ministerpraesident Matthias Platzeck (2. v.r.) weihte auf dem Donskoi-Friedhof den Gedenkstein an die deutschen Stalin-Opfer mit ein (Foto: Packeiser/.rufo) |
Gerhard Priesemann war nach dem Krieg Mitglied der Ost-CDU geworden und wurde 1951 auf offener Straße verhaftet. Er kehrte nie wieder nach Hause zurück. Dass er in der Sowjetunion hingerichtet worden war, erfuhr die Familie erst nach vielen Jahren. Das einzige Vergehen des Vaters von vier Kindern war, dass er angeblich eine Schreibmaschine an einen Mann ausgeliehen haben soll, der damit antisowjetische Flugblätter abtippte. Das Todesurteil der Moskauer Richter passte auf ein einziges Blatt Papier.
Jede Erinnerung sollte ausgelöscht werden
„Die Hinrichtungen fanden meistens spät in der Nacht statt“, berichtet Arseni Roginski, der Vorsitzende der Menschenrechts-Organisation Memorial. Die Leichen der Erschossenen wurden sofort anschließend im Krematorium am Donskoi-Kloster verbrannt, die Asche in Eimern zu anonymen Massengräbern auf dem Kloster-Friedhof getragen. „Es sollten nicht nur die Menschen ausgelöscht werden, sondern auch jede Erinnerung an sie.“
Umso schlimmer seien daher Versuche, die Stalin-Diktatur bis heute zu verherrlichen, empört sich Alexander Jakowlew, der Vorsitzende der russischen Rehabilitierungs-Kommission. „Stalins Stiefel werden bis heute von Menschen ohne Scham, ohne Anstand und ohne Gedächtnis geleckt“, kritisiert der einstige Chef-Ideologe der Perestroika-Zeit. Ob man dem Sowjetherrscher wieder Denkmäler setzen dürfe, war in Russland zuletzt vor dem 60. Jahrestag des russischen Sieges im Zweiten Weltkrieg heftig diskutiert worden.
Stasi lieferte den Sowjets die Spione
Selbst in der Bundesrepublik sei bislang kaum etwas über das Schicksal der deutschen Stalin-Opfer bekannt, sagt der Berliner Historiker Frank Drauschke. Bei seinen Recherchen fand er heraus, dass die Verhaftungen in den meisten Fällen nicht von den sowjetischen Besatzungsbehörden, sondern von der DDR-Staatssicherheit ausgingen. Warum hunderte von Menschen zur Hinrichtung aus der DDR nach Moskau gebracht wurden, sei bis heute noch nicht richtig klar.
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Fast 1.000 Deutsche fielen der Terror-Justiz alleine in Moskau zum Opfer. (foto:kp/rufo) |
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In einem Totenbuch dokumentiert die Menschenrechts-Organisation Memorial über 5.000 Kurzbiografien von Terror-Opfern, die allein auf dem Donskoi-Friedhof bestattet wurden, davon über 900 Deutsche und etwa 80 Österreicher. Außerdem erinnert seit Freitag ein Gedenkstein auf dem Friedhof an alle Deutschen, die in Moskau Stalins Henkern zum Opfer fielen. Auf der Opferliste finden sich prominente Namen wie der des Potsdamer Nachkriegs-Bürgermeisters Erwin Köhler und seiner Frau, aber auch die von erst 16jährigen Schülern. In den letzten Lebensjahren Stalins stellten Deutsche sogar die größte Gruppe der in Moskau Erschossenen.
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„Ich teile die Gefühle der Angehörigen“, sagt der Memorial-Vorsitzende Roginski bei der Trauerfeier, „aber ich empfinde auch etwas Neid, denn Sie haben nun wenigstens einen Ort, an dem Sie Ihre Blumen ablegen können.“ Millionen Menschen in Russland wüssten noch immer nichts über das Schicksal ihrer Familienmitglieder. Er selbst sei einer von ihnen.
(epd/kp)
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