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Start frei: Flüge mit derartigen kleinen Maschinen müssen in Russland nicht mehr genehmigt, sondern nur gemeldet werden (Foto: ld/.rufo)
Start frei: Flüge mit derartigen kleinen Maschinen müssen in Russland nicht mehr genehmigt, sondern nur gemeldet werden (Foto: ld/.rufo)
Dienstag, 02.11.2010

Bürokratie gekappt: Luftraum frei für Privatpiloten

Moskau. Euphorie bei Russlands Fliegern: Seit dem 1. November dürfen Piloten ohne vorherige Genehmigung zu Sichtflügen über Land aufbrechen. Die Luftfahrtbehörde muss über den Flug nur noch informiert werden.

Wie vor einem Jahr die Ukraine hat nun auch der russische Staat den Anspruch aufgegeben, jede Flugbewegung im Lande vorher zu genehmigen. Zum 1. November trat eine neue Luftraumordnung in Kraft, die nun nach internationalen Standards über den Weiten Russlands die Lufträume A, C und G einführt.

Der unterste Luftraum G ist ein Novum für das Land: Hier darf in Zukunft ohne Sprechfunkverkehr und Luftverkehrskontrolle mit Hubschraubern und Flugzeugen aller Art frei geflogen werden. Die Höhe dieses Luftraums reicht von 300 Metern im südrussischen Gebiet Rostow-am-Don auf bis zu 4.500 Metern über den Weiten Ostsibiriens. Der ganz der Verkehrsfliegerei vorbehaltene Luftraum A beginnt ab 8.100 Meter Höhe, die von Fluglotsen kontrollierte Zone C nimmt den Zwischenraum ein.

Einloggen, anmelden, abfliegen


Russland wäre aber nicht Russland, wenn es dabei ohne strenge Auflagen abginge: Piloten müssen in Zukunft telefonisch oder über eine spezielle Webseite der Luftfahrtbehörde RosAviazia (www.ivprf.ru) ihr Flugvorhaben anmelden.

Innerhalb einer Stunde soll dann eine Freigabe erfolgen – die nur verweigert werden darf, wenn der Flug durch gesperrte Lufträume führen würde. Unbedingt abgewartet werden muss die Antwort der Beamten aber nicht - die Verantwortung, dass alles richtig gemacht wird, liegt beim Flugzeugführer.

Freiflug-Piloten müssen registriert sein


Außerdem müssen alle Piloten, die in Zukunft den unkontrollierten Luftraum G nutzen wollen, eine spezielle Schulung absolvieren, ihre Pilotenlizenzen überprüfen lassen, diese dann gegen ein neues Formular umtauschen und sich schließlich bei der Behörde als zugelassene Luftraum-G-User registrieren lassen. Sie erhalten dann ein geheimes Passwort, mit dem sie sich bei der Flug-Anmeldung ausweisen können. Bis zum Stichtag konnte nur ein Bruchteil der russischen Flieger alle diese Hürden nehmen.

Großraum Moskau bleibt unter Lotsenkontrolle


Auch bleibt der Großraum Moskau – in Form eines Quadrats von etwa 170 Kilometern Kantenlänge – ohne die Flieger-Spielwiese G, obwohl sich hier 81 Flugplätze ballen: Hier sind Funkkontakt und Flugfreigabe weiterhin erforderlich. Allerdings soll diese nun ebenfalls innerhalb einer Stunde erteilt werden.

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• Saakaschwili auf Putin-Tour: Er steuert eine Cessna (31.08.2010)
Gegenüber der bisherigen Praxis, dass Flüge über die Platzumgebung hinaus mindestens 24 Stunden vorher angemeldet und genehmigt werden mussten, ist dies aber dennoch ein großer Fortschritt in Richtung „Freiheit unter den Wolken“.

Entrümpelung auf den Luftfahrtkarten


RosAviazia-Chef Alexander Neradko legt Wert darauf, dass bei der Reform auch gleich die Kontrollzonen der Flughäfen beschnitten, die Zahl der ständigen Sperrgebiete (Großstädte, Atomkraftwerke, Militär-Objekte) von 85 auf 59 und die Zahl der kontrollierten Luftstraßen von 2209 auf 510 reduziert wurde.

In der in Russland bisher nur als Randphänomen existierenden Allgemeinen Luftfahrt rechnet man deshalb mit einer baldigen Belebung : Die auf nur 2.000 bis 3.000 geschätzte Zahl der zivilen Fluggeräte für bis zu acht Personen dürfte mit der Zeit kräftig steigen – wie auch die Zahl der Piloten, Flugschüler, Lufttaxi- und Kurierdienste. In Russland könnten eines Tages hundert Mal mehr Flugzeuge als heute fliegen, schwärmte mit Blick auf das Fliegerland USA der Fernsehsender „1. Kanal“.

Keine willkürlichen Flugverbote mehr


„Ich habe 35 Jahre auf diesen Tag gewartet“, freut sich Magomed Sakarschajew, Generaldirektor des „Kasaner Luftfahrtbetriebs“ in Tatarstan.

Bisher sei die Vorsicht und Willkür der Behörden bis ins Absurde getrieben worden: „Einmal beantragte ich einen Flug in eine Kreisstadt und bekam eine Absage: Dort sei ein Volksfest, also eine große Menschenansammlung, deshalb darf ein Hubschrauber dort nicht hinfliegen – denn wer garantiert, dass er nicht auf die Leute fällt? Aber warum sollte er denn abstürzen? Die Maschine ist gewartet, es gibt einen Landeplatz – und der Pilot ist kein Selbstmörder“, erzählt der passionierte Flieger.

Allerdings findet er auch die neuen Regeln noch zu restriktiv: „Vielleicht ist das eine Übergangsperiode, aber ich fürchte, dass damit die Veränderungen auch zu Ende sind.“

Fliegende Partisanen sollen Disziplin lernen


Ohnehin soll die Liberalisierung des Luftraums durch eine Verschärfung der Strafen bei Regelverstößen und Unfällen begleitet werden – bis hin zu Haft und Beschlagnahme des Fluggeräts. Das Verkehrsministerium arbeitet gegenwärtig an einer entsprechenden Gesetzesänderung – denn in der Provinz ist es Gang und Gäbe, dass reiche Leute ihre Helikopter für illegale und riskante Jagdausflüge nutzen oder Hobby-Ikarusse mit nicht registrierten Eigenbauten herumkurven.

Derartige Luftraumverstöße werden bisher wie Kavaliersdelikte geahndet: Ein Unternehmer, der im August 2010 nachts um 4 Uhr mit seinem Gazelle-Hubschrauber zwischen Petersburger Wohnblöcken lavierte, um im 14. Stock in eine bestimmte Wohnung zu spähen, konnte nur ein Strafbefehl über 5.000 Rubel (ca. 120 Euro) zugestellt werden.

Begründet hatte er seine haarsträubende Extratour schlicht mit einem „privaten Ausnahmezustand“.



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