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Er hat das Geiseldrama überlebt. Die schrecklichen Bilder werden ihn aber noch jahrelang verfolgen (Foto: NTW) |
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Donnerstag, 01.09.2005
Es gibt keinen Gott, nur die Kraft der WaffenGaby Henze, London. Die BBC ist bekannt für ihre hochwertigen Fernsehdokumentationen. Davon überzeugte jetzt wieder der einstündige Film „Kinder von Beslan“. Es kamen nur überlebende Kinder von Beslan zu Wort.
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In dem 60 Minuten-Film von Ewa Ewart reden ohne nervige Reklamepausen nur überlebende Kinder. Eines nach dem anderen. Ihre Stimmen sind im russischen Original zu hören, es gibt nur Untertitel in Englisch. Keine Fragen von Journalisten, keine Kommentare von Erwachsenen.
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Über 1.200 Geiseln nahmen die Kidnapper. Knapp 900 wurden gerettet, doch über 300 fanden den Tod (Foto: newsru) |
Nur die Kinder, die die Chronologie der Ereignisse dieser drei Tage Anfang September 2004 nach erzählen. Zwischendurch werden nur kurze Texte auf schwarzem Untergrund eingeblendet wie: „1. September, der Tag des Wissens in der Schule Nr.1 in Beslan“; oder „331 Kinder und Erwachsene kamen ums Leben“. Weiter sonst nur Originalfilmaufnahmen aus den Tagen, auf dem Friedhof und in der neuen Schule in Beslan.
„1. September, der Tag des Wissens in der Schule Nr.1 in Beslan“
Die Kinder wirkten alle sehr erwachsen und das sagten sie auch selbst von sich:
„Wir sind keine Kinder mehr. Wir raufen uns nicht mehr. Wir sind nicht mehr albern. Wir sind ganz schnell erwachsen geworden.“
Manche Kinder erzählen noch von ihren Träumen, die sie dort in der Sporthalle der Schule hatten, wo über 1.200 Kinder und Eltern zusammen gepfercht waren.
„Ich habe darauf gehofft, dass Harry Potter mit seinem Mantel kommt, der einen unsichtbar macht, damit ich mit ihm wegfliegen kann.“ „Wir glaubten, dass ein Action-Film gedreht wird, aber dann schien es uns alles zu lange zu dauern und wir bekamen auch kein Wasser.“
Viele Kinder, besonders die Jungen wirken sehr aufgeräumt, sachlich, sogar politisch.
Ein ossetischer Junge geht, während er über die Ereignisse erzählt, durch die Schule und zeigt genau, wie die Terroristen ausgerüstet waren, wie sie auf die Geiseln schauten, wie sie seinen Vater vor seinen Augen erschossen.
„Eklig war es, als mir das Gehirn auf den Kopf fiel.“
Tschermen gibt erst Anlass zu einem erleichternden Schmunzeln, als er sagt, dass es am schwierigsten für ihn gewesen sein, einfach seinen Mund zu halten, denn er quatsche eben fürchterlich gerne, aber das haben die Terroristen nicht geduldet. Und dann vergeht das leichte Lächeln wieder, wenn er davon spricht, dass ihm das Gehirn eines Terroristen auf den Kopf gefallen sei, als dieser von dem Bandenanführer erschossen wurde: „Das war eklig, denn das Gehirn war fettig und glitschig.“
Tschermen ist eindeutig der Held des Films. Sehr, sehr traurig sei er, dass sein Freund umgekommen ist, er wäre echt ein Superkumpel gewesen. Aber er weint ihm nicht nach.
Die Kinder weinen nicht
Keines der Kinder weint, nur einmal rollt einem Mädchen eine Träne herunter, als sie erzählt, wie ihre Mutter vor ihren Augen erschossen wurde.
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Die Trauer ist bis heute nicht gewichen bei den Angehörigen (Foto: NTW) |
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Chermen erstaunt dann mit seiner finalen Aussage. Noch erstaunter sind aber wohl die Mitseher an diesem Abend vor dem Fernseher in London. Chermen sagt: „Es gibt keinen Gott, sondern nur militärische Kraft. Ich glaube an Russland und seine Streitkräfte.“
Es gibt keinen Gott, sondern nur die Kraft der Waffen
Sein Klassenkamerad, der bei einem Rundgang durch die Ruinen der Schule alles so genau gezeigt hatte, sagt zum Schluss des Films, dass er mit einem Gewehr nach Tschetschenien gehen will, um sich an den Banditen für den Tod seines Vaters zu rächen. Computerspiele würde er jetzt nur noch solche spielen, wo Sondereinsatzkommandos Terroristen erschießen und nicht mehr umgekehrt.
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Das Mädchen Laima hinterlässt sicherlich den traurigsten Eindruck. Irgendwie scheint sie sich auch selbst darüber zu schämen, dass sie weint. Aber sie könne das Geschehene noch nicht anders verarbeiten, meint sie leise. Sie malt immer wieder Szenen der Geiselnahme mit Terroristen und zündet dann das auf Papier gemalte Bild mit einem Streichholz an.
Diese BBC-Dokumentation hätte im Prinzip gut im russischen Fernsehen laufen können. Doch vielleicht auch wieder nicht, denn sie zeigt, wie viel Arbeit und vor allem wie viel Zuwendung für die Kinder nötig ist, die diese Geiselnahme überlebt haben.
Es geht nicht darum, Kinder für den russischen Präsidenten und gegen tschetschenische Terroristen oder umgekehrt zu mobilisieren. Diese Kinder aus Beslan müssen einfach nur menschlich und ohne Hass auf irgendjemand ihr Leben leben können und das wird nicht einfach im heutigen Russland.
Gaby Henze, London
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