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Die große russische Dichterin Marina Zwetajewa scheiterte an den Tragödien des 20. Jahrhunderts. (Foto: rbc.ua)
Die große russische Dichterin Marina Zwetajewa scheiterte an den Tragödien des 20. Jahrhunderts. (Foto: rbc.ua)
Montag, 08.10.2012

Marina Zwetajewa, die Dichterin der großen Emotionen

Moskau. Marina Zwetajewa, die große Moskauer Dichterin des „silbernen Zeitalters der russischen Literatur“, hat immer aus dem Vollen gelebt und geliebt. Heute wäre sie 120 Jahre alt geworden. Hier ein Porträt.

Das wechselreiche Leben der Marina Zwetajewa verlief zwischen Revolution, Bürgerkrieg und Zweitem Weltkrieg. Sie scheiterte schließlich an den Tragödien des 20. Jahrhunderts und nahm sich 1941 das Leben.

Affinität zur deutschen Sprache und Kultur


Marina Zwetajewa wurde am 8. Oktober 1892 in der Familie des Kunstprofessors Iwan Zwetajew und der deutschstämmigen Pianistin Maria Meyn geboren. Die künstlerische Ader war ihr damit sozusagen in die Wiege gelegt worden; sehr früh zog es sie zur Dichtung hin.

Auf vielen Reisen nach Westeuropa gewann sie einen tiefen Einblick in die europäische Kultur, die sie für immer prägen sollte. Besondere Affinität hatte sie Zeit ihres Lebens zur deutschen Sprache und Kultur, die sie als ihre Ureigene empfand. Ein Ausdruck davon war die lange freundschaftliche Verbundenheit zu Rainer Maria Rilke.

Pendant zur Dichterfürstin Achmatowa


Als sie 18 war, erschien ihr erster Gedichtband, das „Abendalbum“. Schon dort tritt ihre hochemotionale, exaltierte Kompromisslosigkeit zu Tage, die sie ihr Leben lang begleiten sollte. Die stets brodelnde, liebende, leidende, maßlose Zwetajewa wurde sehr schnell zum Pendant der drei Jahre älteren, klassischen und sehr „maßvollen“ Petersburger „Dichterfürstin“ Anna Achmatowa.

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Zwetajewa verehrte sie zutiefst, aber Achmatowa hielt stets Abstand. Beide Frauen, jede in ihrer Eigenart, sind bis heute das Symbol jener sehr bewegten Jahre.

1912 heiratete Zwetajewa den Dichter Sergej Efron, dem sie ein Leben lang verbunden bleiben sollte, ungeachtet mehrerer Affären, die sich beide erlaubten, Zwetajewa unter anderem mit ihren Dichterkollegen Osip Mandelstam und Sofia Parnok.

Hungerjahre und Emigration


Nach der Revolution schlug sich Efron auf die Seite der „Weißen“, der Gegner des bolschewistischen Regimes. Zwetajewa blieb in Moskau und durchlebte schreckliche Hungerjahre, in denen sie ihre Tochter Irina verlor.

Mit ihrer älteren Tochter Ariadna verließ sie schließlich Sowjetrussland, dem sie nie etwas hatte abgewinnen können, und traf Efron nach fünf Jahren Trennung 1922 in Berlin wieder. Die nächsten drei Jahre verbrachte die Familie bei Prag, dort kam Sohn Georgi zur Welt.

1923 erschien das „Poem ohne Ende“, das Literaturwissenschaftler bis heute zu den „besten und tiefsten Gedichten des 20. Jahrhunderts“ zählen.

Die anschließenden Jahre in Paris (1925 bis 1939) führten zu einer immer größeren Isolierung Zwetajewas in der Emigrantenwelt. Man warf ihr eine „zu unklare Position“ gegenüber der Sowjetunion vor, verübelte ihr die Begeisterung für Wladimir Majakowskis Gedichte.

Der hatte sich ganz in den Dienst der Sowjets gestellt, nahm sich aber später aus Enttäuschung über den beginnenden Stalinismus das Leben. Welch ähnliche Schicksale…

Rückkehr nach Sowjetrussland


Als ihr Mann schließlich als „NKWD-Agent“ entlarvt wurde und Hals über Kopf in die Sowjetunion zurückkehrte, wurde Zwetajewas Existenz in Paris endgültig unerträglich. Unter dem Druck der Ereignisse des beginnenden Zweiten Weltkriegs trat auch sie 1939 den Weg zurück nach Moskau an.

Doch das Leben in der Sowjetunion erwies sich als nur noch größere Qual. Ihr Mann und ihre Tochter Ariadna wurden verhaftet, Efron 1941 erschossen. Von den ehemaligen Schriftstellerkollegen konnte sie keine Hilfe erwarten. Alle lebten in Angst um ihre eigenes Leben, und der Kontakt zu Menschen, die im Ausland gelebt hatten, war schlichtweg gefährlich.

“…dass ich mit den Augen einen Haken suche“


Als 1941 Hitler die Sowjetunion überfiel, wurde sie mit ihrem Sohn Georgi nach Jelabuga in Tatarstan evakuiert, wo sie kaum Mittel zum Leben hatten und elementar hungerten. Schon ein Jahr zuvor hatte sie davon gesprochen, ihrem Leben ein Ende setzen zu wollen, als sie in ihrem Tagebuch schrieb:

„Vor allem habe ich Angst. Vor Augen, Finsternis, Schritten und am meisten – vor mir selbst, vor meinem Kopf, diesem Kopf, der mir im Heft so treu dient und im Leben mich umbringt. Niemand sieht, niemand weiß, daß ich schon seit einem Jahr (ungefähr) mit den Augen einen Haken suche. Aber es gibt keine, überall nur noch Elektrizität. Keine „Kristallleuchter“ mehr ... Seit einem Jahr probiere ich den Tod an.“

Am 31. August 1941 hatte sie „den Haken“ gefunden – sie erhängte sich. Wo genau sie auf dem Friedhof in Jelabuga begraben ist, ist bis heute nicht klar. Jahrzehntelang war sie, wie so viele andere, in der Sowjetunion „verboten“ und bekam ihre Renaissance erst im Zuge der Perestroika.

Heute gehört Zwetajewa zu den „Ikonen“ der russischen Kultur, genauso wie ihr „ewiger Gegenpart“ und ihre „unbeantwortete Liebe“, die Achmatowa.



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