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Schwanensee: Das Ballett ist sommers in St. Petersburg zum Abziehbild und Massenprodukt verkommen - so wie diese Briefmarke (Foto: wp/.rufo)
Schwanensee: Das Ballett ist sommers in St. Petersburg zum Abziehbild und Massenprodukt verkommen - so wie diese Briefmarke (Foto: wp/.rufo)
Montag, 18.06.2012

Kultur-Einerlei: In Petersburg nur noch „Schwanensee“

St. Petersburg. Von wegen Kultur-Metropole: Das St. Petersburger Bühnenprogramm ist während der Weißen Nächte von einem seltsamen Virus befallen: Es heißt „Schwanensee“ – und verbreitet sich dank des Pauschaltourismus.

Dieses ebenso rührende wie schön anzusehende Tschaikowski-Ballett ist eine stehende Größe im Programm der großen Petersburger Bühnen – klassische russische Tanzkunst auf höchstem Niveau.

Aber im Sommer wird es für die einheimischen Ballett-Fans zur Landplage: „Schwanensee“ dominiert während der Weißen Nächte das Theater-Programm nicht weniger als während des Putsches im August 1991 das sowjetische Fernsehen. „In jedem Theater, in dem man irgendwie noch ein Orchester unterbringen kann“, so die Internet-Zeitung Fontanka.ru, hüpfen Ballerinas als kleine Schwäne in weißen Ballett-Röckchen herum.

Russisches Balett gleich Schwanensee. Was zu beweisen war


Die Schwanen-Invasion an gleich fünf Spielstätten in der Stadt hat schlichte wirtschaftliche Gründe: St. Petersburg ist voller Touristen, sehr viele davon auf Kreuzfahrtschiffen angereiste Kurzbesucher – und die assoziieren russisches Ballett und Petersburger Kultur eben mit diesem Stück.

Vermutlich kennen sie auch kein anderes. Also beglückt man sie eben damit.

Die Masse der Touristen ist sich hinterher vermutlich sicher, ein typisches, echtes Petersburger Kulturerlebnis erfahren zu haben – dabei war es Ballett-Fastfood vom Fließband, aufgewärmt für die Massen-Saison.

Profi-Bühnen zeigen das Stück nur dosiert


Denn in den beiden namhaften Ballettbühnen der Stadt, dem Mariinski und dem Michailowski-Theater, die auch die Romanze von Siegfried und Odette auf hochkarätigem künstlerischen Niveau zu präsentieren verstehen, werden Kreuzfahrt-Passagiere und Durchschnitts-„Neckermänner“ das Spektakel nicht zu Gesicht bekommen.

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• Sanierung nonstop auf dem Petersburger Theaterplatz (05.06.2012)
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Dort geht man mit dem Kultstück bewusst sparsam um: Das Michailowski-Theater hat es im Sommer gar nicht im Programm, das Mariinski nur zweimal. Wie fontanka.ru schreibt, ist eine Vorstellung schon ausverkauft, für die andere gibt es noch ein paar Karten von 100 Euro aufwärts.

Der sterbende Schwan - Double 20


Noch den besten – und dazu echt Petersburger – Schwanensee kann man im 1000 Plätze bietenden Alexandrinski-Theater schlürfen. Dort gastiert in der Hochsaison das „Staatliche akademische Jakobson-Balletttheater“. Dieses Ensemble kennen Ballettkundige auch von anderen gelungenen Inszenierungen, man zeigt Klassiker wie auch moderne Inszenierungen – und auch das Orchester und das Bühnenbild haben Profi-Niveau.

Allerdings: Wenn professionelle Tänzer 20 Mal hintereinander das gleiche Stück aufführen, wird es mit der künstlerischen Inbrunst nicht mehr allzu weit her sein.

Schwanen-Reigen auch in der Eremitage


Wer teure Karten (2000 Rubel) für Schwanensee im Eremitage-Theater erworben hat, der kann sich immerhin sicher sein, den russischen Klassiker in entsprechend edler Aura an einem elitären Ort zu Gesicht zu bekommen. Vom aufführenden „St. Petersburger Tatschkin-Theater“ sind hingegen zumindest Petersburger Ballett-Kundige wenig begeistert – vor allem, weil sie es nicht zu sehen bekommen. Denn das Ensemble ist sonst das Jahr über mit seinen streng klassischen Aufführungen irgendwo auf der Welt auf Tournee.

Vollends passen müssen laut fontanka.ru echte Kenner des Genres hingegen beim „St. Petersburger Theater des klassischen Balletts“ sowie dem „Russischen Ballett“, die sich mit ihren Schwanen-Schwärmen für die Saison in den riesigen Sälen des Konservatoriums bzw. des Musikkomödientheaters eingenistet haben.

Den Syrern hat es damals gefallen ...


Das Urteil lautet "nie gehört", dabei hat Ersteres laut seiner Webseite noch 2007 in Syrien mit seiner Schwanensee-Aufführung „große Furore“ erzielt. Das ist doch etwas.

Wer also bei seinem Hochsaison-Besuch in der russischen Kulturhauptstadt glaubt, auch entsprechend hochkarätiges Ballett zu sehen zu bekommen, sollte wissen, dass er – vor allem bei „Schwanensee“ - mit einer tänzerischen Massenspeisung von Pseudo-Petersburger Truppen abgefertigt wird.

Fontanka.ru empfiehlt Petersburgern, die auch im Sommer gute und interessante Bühnenkunst sehen wollen, nach Avignon, Edinburgh oder ins finnische Tampere zu fahren.

Dort gäbe es in dieser Zeit tolle, vielfältige Festivals – und nicht Einheitskost mit dem Beigeschmack des Etikettenschwindels.



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