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Dies ist einer jener Orte, wo die Kunst herkommt (Foto: Archiv)
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Samstag, 04.03.2006

Gas und Kulturachse Moskau-Budapest-Chanty-Mansijsk

Moskau. Bemerkenswerte Ereignisse des russischen Kulturlebens haben sich dieser Woche in Moskau, Budapest und im westsibirischen Chanty-Mansijsk abgespielt. Das Erdgas hielt so ganz verschiedene Orte zusammen.

Am letzten Februartag zog eine Vernisage des Präsidenten der Russischen Kunstakademie Surab Zereteli in der Großen Manege am Kreml Kunstkritiker, Künstler und Beamte sowie die gesamte Moskauer Schickeria an. Wer etwas auf sich hielt, durfte nicht fehlen.

Neben dem avantgardistischen Galeristen Marat Gelman fielen der Filmregisseur Stanislaw Goworuchin und der St.Petersburger Stardirigent Waleri Gergijew auf. Selbstverständlich war die gesamte Moskauer Stadtführung mit dem Oberbürgermeister Juri Luschkow an der Spitze präsent. Gilt Zereteli ja als dessen Hofbildhauer.

Zereteli fülltdie Manege mit seinen Werken


Es gehörte bisher zum guten Ton, über den Schöpfer des monströsen Denkmals für Peter I. auf einer Moskwa-Insel schräg gegenüber von der Erlöserkathedrale mehr oder weniger gutmütig zu schimpfen. Der geschäftstüchtige Georgier soll ursprünglich versucht haben, ein Kolumbus-Standbild der Stadt New York anzudienen.

Bei Russland-Aktuell
• Neuauflage - Riesen Erlebnispark in Moskau geplant (20.02.2006)
• Moskau bekommt orthodoxe Kapelle aus Kristallglas (23.11.2005)
• Zereteli-Denkmal in Tschetschenien enthüllt (20.08.2005)
• Peter der Übergroße kommt ins Lager (14.07.2005)
• Bildhauer Zereteli erobert Petersburg (13.04.2005)
Als die Amerikaner dankend ablehnten, montierte Zereteli kurzerhand einen anderen Kopf auf das Monster – und stellte es an die Moskwa. Beharrlich wie er ist, fertigte Zereteli später doch noch eine Kopie mit Kolumbus-Kopf an und verschenkte sie an Puerto Rico. Das sind aber alte Geschichten.

Diesmal versetzte Zereteli das Publikum damit in Staunen, dass es ihm gelang, die riesige Ausstellungshalle mit eigenen Arbeiten bis zum Rand zu füllen, eine Leistung, der sonst nur Dutzende von Künstlern gewachsen sein können.

Der Meister muss zu diesem Zweck sein Haus und das umliegende Gelände leergeräumt haben. Alte deutsche Diplomaten werden wissen, wieviel Kunst dort hineinging, denn Zereteli wohnt in den Räumen der früheren deutschen Botschaft in der Bolschaja Grusinskaja hinter dem Moskauer Zoo.

Neben zahllosen Plastiken zeigt die Ausstellung Mosaikbilder, Majoliken (oft von hervorragender Qualität), Ölgemälde und Zeichnungen. Besonders eindrucksvoll sind Charlie Chaplin und ein Straßenkehrer im impressionistischen Stil.

Ein verdientes Kompliment: Man erkennt auf den ersten Blick, dass alle Bilder von ihm selbst stammen. Bei dem größten Teil der Plastiken handelt es sich hingegen um Produkte seiner Werkstatt. Die ausgestellte Menge wäre von einem einzelnen auch nicht zu bewältigen.

Ein Gang zur Zereteli-Ausstellung lohnt sich


Thematisch wirkt Zeretelis Werk allumfassend. Standbilder von Brodski und Wyssozki werden von fiedelnden Figuren a la Chagal abgelöst. Und es gibt viel, sehr viel Georgien und Tiflis. Man glaube das bekannte „Tbilisso“-Lied auf georgisch zu hören, heißt es in einem Kommentar der Tageszeitung „Kommersant“.

Bei Russland-Aktuell
• Putin in Bronze verewigt (20.04.2004)
• Umstrittener Hofkünstler – Zereteli wird 70 (02.01.2004)
• Surab Konstantinowitsch Zereteli (18.08.2003)
• Manege frei für Zereteli und die Performer (22.08.2002)
• Zereteli will New Yorkern Terror-Mahnmal bauen (19.09.2001)
Man kann über die Begabung des Meisters streiten, es ist aber unzweifelhaft durchweg sehr gute handwerkliche Arbeit, wie in den einstigen sowjetischen Kunstausstellungen. Ein Gang in die Manege lohnt sich allemal.

Beutekunst soll Gaslieferungen stützen


Auch Wladimir Putinsoll dort hineingeschaut haben, bevor er nach Osteuropa flog. Zum Arbeitsbesuch in die ungarische Hauptstadt Budapest nahm er einige Bücher mit, die die Rote Armee in Deutschland erbeutet und nach Nischni Nowgorod, das damalige Gorki gebracht hatte. Vorher hätten die Hitleristen sie aus dem ungarischen Szarospatok nach Deutschland verschleppt, heißt es.

136 Bände, darunter ein Dutzend besonders wertvolle Inkunabeln, einige mit dem Signum Martin Luthers, wurden dem Ungarischen Nationalmuseum übergeben.

Bei Russland-Aktuell
• Acht Länder erwarten Rückgabe von Beutekunst (14.06.2005)
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• Piotrowski: Beutekunstdiskussion kontraproduktiv (01.03.2005)
• Beutekunst, kleine Münze der großen Politik (28.02.2005)
• Minister: Baldin-Sammlung bleibt in Russland (22.02.2005)
Er sei davon ausgegangen, dass diese Bibliothek einer ungarischen Religionsgemeinde gehört habe und deshalb nach dem in Russland geltenden Beutekunstgesetz zurückgeführt werden könne und solle, erklärte Putin während der offiziellen Zeremonie. Das Gesetz verbietet die Rückgabe von Kunstgegenständen, die in Staatsbesitz sind.

Ganz nebenbei ging es Putin wohl darum, die Erinnerung an die russische Invasion von 1956 etwas zu überdecken, obwohl „das heutige Russland mit jenen Ereignissen nichts zu tun hat“, so der Präsident. Außerdem will Moskau Ungarn in einen „Umschlageplatz“ für seine Energielieferungen nach Europa (sprich: Erdgas und Erdöl) verwandeln.

Beutekunst als politische Zweckwaffe


Damit wurde die politische Zweckbestimmung der so genannten Beutekunst einmal mehr bestätigt. Nur diejenigen, die gerade gebraucht werden, bekommen ihre nach dem Zweiten Weltkrieg geraubten Kunstwerke zurück. Sonst wäre die bekannte „Bremer Sammlung“ längst wieder in der Bremer Kunsthalle, nur um ein Beispiel zu nennen.

„Graf von Montenegro“ für Gasarbeiter in Sibirien


Just am Tag der Rückkehr Putins aus Osteuropa gingen die Filmfestspiele „Der Geist des Feuers“ in Chanty-Mansisk zu Ende. Im hochintellektuellen Bereich des russischen Films werde der Trend zum Surrealismus hin deutlich, heißt es in Presseberichten.

Der Renner war jedoch die weniger anspruchsvolle Komödie „Graf von Montenegro“. Darin geht es um Schätze, die der später beim Dekabristenaufstand der russischen Adligen von 1825 umgekommene Zarengeneral Miloradowitsch im Balkangebirge versteckt haben soll.

Bleibt die Frage, wieso es die Filmfestspiele an diesen Ort verschlagen hat, in das Autonome Gebiet der finnisch-ugrischen Völker der Chanten und Mansen am Zusammenfluss des Ob und des Irtysch im Hohen Norden jenseits des Urals verschlug.

Das erste fünfstöckige Gebäude wurde in dem bis dahin hoffnungslosen Kaff Chanty-Mansijsk erst 1980 gebaut. Seitdem haben fünf Gasfelder es zu einer blühenden Gegend gemacht. Das Bruttosozialprodukt des Gebietes liegt in der russischen Rangliste hinter Moskau auf Platz zwei.
Dort nimmt unter anderem eine Pipeline ihren Anfang, die nach Zentralrussland und weiter unter anderem auch nach Ungarn führt. Der Hauptgewinn aus dem Geschäft fließt nach Moskau. Erdgas und Kunst gehören eben zusammen.

(adu/.rufo)


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