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Freitag, 24.02.2006

Comics - Fürst Wladimir macht sich politisch nützlich

Moskau. Der Zeichentrickfilm „Fürst Wladimir“ wird Kassenschlager. Blauäugig, kitschig und politisch nicht ganz unschuldig. Geschichtsbewältigend, ideologiestiftend, gewinnbringend. Ganz im Trend des neuen Films in Russland.

Der Trend entwickelt sich seit zwei-drei Jahren. Er kumuliert in den letzten Monaten: Der neue russische Film, aufwendig produziert und professionell promoted bringt die russische Geschichte und Gegenwart, große Literatur und schmerzende Probleme in großen, manchmal schönen Bildern auf Leinwand und Bildschirm.

Geschichtsbewältigend, ideologiestiftend, gewinnbringend


Wir hatten schon Solschenizyns „Ersten Kreis“, Bulgakows „Meister und Margerita“ und Dostojewskis „Idiot“. Vor zwei Jahren nutzte die „Nachtwache“ erstmals in der russischen Filmgeschichte die ganze Trickkiste der Computeranimation.

Die Reality-Fantasy-Serie wurde jetzt seit Neujahr im gleichen Stil von der „Tagwache“ fortgesetzt, die Millionen in die Kinos lockte. Raffinierte Computeranimation auf Weltnieveau liess in den Szenen aus dem russischen Alltag die Grenzen zwischen Reality und Fantasy verfließen. Spielfilm mit allen Tricks.

Kongruenz der Genres: Spielfilm zu Trickfilm, Trickfilm zu Spielfilm


Mit dem Trickfilm mit dem anzüglichen Titel „Fürst Wladimir“ erreicht die Entwicklung einen neuen Höhepunkt. Der Trickfilm macht dem Spielfilm Konkurrenz.

Bis zuletzt wurde darüber gestritten, ob sich die Wiederauferstehung der russischen Animationsfilme in kürzerer, an alten Walt-Disney-Streifen orientierten Form oder in voller Spielfilmlänge zustande komme. Obwohl demnächst zwei neue kurze Folgen der Geschichte vom Wolf und Hasen („Nu, pogodi!“) auf der Leinwand erscheinen sollen, beantwortet der neue Streifen die Frage offenbar endgültig zugunsten der längeren Version.

Die Handlung des 87 Minuten langen Streifens „Fürst Wladimir“ spielt unmittelbar vor der Christianisierung Russlands. Der erklärte Anspruch ist tatsächlich, russische Geschichte "wie sie wirklich war" zu popularisieren. Daher übernahm auch das Moskauer Patriarchat die Patronage, die namhaftesten Historiker, Komponisten und Schauspieler wirkten mit. Eine zweite Folge ist bereits in Sicht.

Filmgeschichte: Guter Junge und böser Zauberer


Der Film beginnt in der Zeit, als die Russitschi (Nicht mit Russen verwechseln!) durchweg blonde Haare und strahlend blaue Augen hatten und hühnenhaft aussahen. Von Süden her wurden sie von den Petschenegen, den Vorfahren der heutigen Turkvölker bedrängt.

Fürst Wladimir II. schon geplant
Die erste Folge bricht an der Stelle ab, wo Wladimir nach Konstantinopel fährt, um die dortige Prinzessin Anna zu freien und sich den christlichen Glauben byzantinischer Prägung näher anzuschauen. In der zweiten steht die Massentaufe der Heiden im Dnjepr an. Alten Chroniken zufolge wurden die Kiewer Bürger mit Gewalt ins Wasser getrieben. Der Fürst stand oben mit einem großen Kreuz in der Hand oben. Daran erinnert heute noch die bekannte Wladimir-Figur am steilen Dnjepr-Ufer. Auch müssen die Filmschaffenden dem Zuschauer erklären, warum sich der russische Fürst, der zwischen Rom und Byzanz wankte, am Ende für die Orthodoxie entschied.
Die weiblichen Russitschi waren unwahrscheinlich appetitlich, was sie zur begehrten Beute der Nomaden machte. Freilich kommt es bei deren Nachfahrinnen gelegentlich heute noch vor. Als Heiden glaubten die alten Russen an die Geister der Erde, des Wassers und der Bäume. Die oberste Gottheit war Perun, das ostslawische Pendant des Zeus.

Der böse Zauberer und der Perun-Priester Kriwscha, von „Kriwda“ (Unwahrheit) abgeleitet, schloss ein Komplott mit den Petschenegen und hetzte die drei Söhne des Fürsten Swjatoslaw so lange gegeneinander auf, bis nur Wladimir am Leben blieb.

Um ein Haar hätte es auch ihn erwischt, wenn nicht der mutige Junge Olekscha den Fürsten gewarnt hätte. Während Wladimir krank darnieder liegt, liest Olekscha, den es früher nach Byzanz verschlagen hatte, ihm aus Evangelien vor.

Schöner Kitsch, künstlerischer Wert nahe Null, aber sehenswert


Trotz brennender Dörfer und Blut ist „Fürst Wladimir“ eine leichte Kost. Eine derartige Farbenpracht findet man sonst nur auf volkstümlichen „Lubok“-Bildern und Gemälden des umstrittenen Malers Ilja Glasunow („Mysterium des 20. Jahrhunderts“ u.a.). Eigentlich ist der neue Film treuherziger Kitsch. Historische Wahrheit würde man vergeblich darin suchen.

Der wirkliche Wladimir war weniger sympathisch


Der historische Wladimir soll ein ziemlicher Ekel gewesen sein. Als Sohn einer Haushälterin der Fürstin Olga wurde er von seinen Brüdern als Bastard verspottet. Da bedurfte es keines bösen Zauberers, um ihn zum brudermörderlischen Feldzug gegen Kiew zu animieren. Dort nahm sich Wladimir die Witwe seines Bruders Jaropolk, Rogneda zur Frau, nachdem er deren Eltern getötet hatte. Neben zahllosen Weibergeschichten hatte er rund 1.000 Konkubinen. All das ist aber in einem Kindermärchen fehl am Platz und fehlt deswegen auch in dem Film über „Fürst Wladimir“.

Politischer Zweck erfüllt


Wladimirs Geschichte historisch präzise darzustellen, wäre angesichts der derzeitigen russisch-ukrainischen Reibereien unklug gewesen. Im Film vereinigte der gute Fürst alle Vorfahren der Russen und Ukrainer in einem modernisierten Reich, was sich mit der Linie des Kremls deutlich deckt.

Der Film lief auch pünktlich zum Tag der „Vaterlandsverteidiger“, ehemals Tag der Sowjetarmee, an. Er kann vor dem Hintergrund von Protesten gegen Rekrutenmisshandlungen den Kampfgeist der Bürger stärken.

Wladimir hatte seinerzeit (zumindest im Film) keine Probleme, um Freiwillige für seinen Feldzug gegen Kiew zu finden. Ganz nebenbei: Der farbenfrohe Streifen passt wunderbar zum russischen Fasching, „Schirokaja Masleniza“, der nächste Woche gefeiert wird.

Patriarch Alexi zufrieden


Alexi II. von Moskau und ganz Russland hat den Film ausdrücklich gelobt. Zusammen mit dem inzwischen verstorbenen Akademiemitglied Dmitri Lischatschow hatte er die ursprünglich aus den 80er Jahren stammende Wladimir-Idee schon 1998 unterstützt, als Wladimir Putin noch eine fast völlig unbekannte Größe war. Die Idee war da, Geld nicht.

Zwischenzeitlich wurden aber drei (nach anderen Angaben sogar fünf) Millionen US-Dollar aufgetrieben, eine nach russischen Verhältnissen gewaltige Summe. Bis zur Präsidentenwahl 2008 kommt auch die zweite Folge.

(adu/gim/.rufo)


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