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Wettbewerbssieger Dominique Perrault hat inzwischen den Appetit an seinem Mariinski-Projekt verloren (Foto: ld/rufo) |
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Montag, 29.01.2007
Architekt Perrault steigt bei Mariinski-II ausSt. Petersburg. Nach viel Hin und Her ist es nun entschieden: Der Neubau des Mariinski-Theaters soll zwar nach den Plänen des Franzosen Dominique Perrault gebaut werden, doch übernehmen russische Firmen die Regie.
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Das ebenso prestigeträchtige wie umstrittene Neubauprojekt Mariinski-II hat Petersburg einen weiteren Architekturskandal beschert. Nach monatelangen Verhandlungen mit Regierungsstellen ist der Pariser Architekt Dominique Perrault auf eigenen Wunsch vom Vertrag mit der staatlichen Bau-Direktion zurückgetreten.
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Offiziell gibt es zwischen den beiden Vertragspartnern keine Uneinigkeit. Inoffiziell wird aber davon geredet, die russische Seite habe Perrault mit immer neuen Bedingungen in die Ecke gedrängt, und der Architekt habe schließlich die Nase voll gehabt und das Handtuch geworfen.
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Neubauprojekt schockiert konservative Petersburger
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2003 hatte Perrault mit seinem wabenartig verglasten Goldkuppel-Projekt den Wettbewerb um einen zweiten Saal mit 2000 Sitzplätzen für das Mariinski-Theaters gewonnen. Neben seinem futuristischen Aussehen, das die konservativen Kreise Petersburgs schockierte, sah der Bau auch eine zweifache Brückenverbindung für Zuschauer und Personal über den Moika-Kanal zum bisherigen Theatergebäude vor.
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Bau hat sich immer weiter hinausgezögert
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Schon 2005, während der Abrissarbeiten auf der Parzelle, verzögerten Zwistigkeiten unter Statikspezialisten über die Tragfähigkeit des Baugrunds das Vorhaben. Im Februar 2006 stellten die Auftraggeber dann neue Forderungen an Perraults Theaterbau. So sollte die Kuppel um zehn Meter gesenkt und eine große Tiefgarage eingebaut werden. Schon damals bezweifelte der Architekt, dass der neue Saal rechtzeitig bis Frühling 2008 fertig gestellt sein würde. Im Mai, als der Bauplatz schließlich frei geräumt war, fehlte dann die Bewilligung für den Baubeginn.
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Expertise mit langer Mängelliste
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Perrault erhielt sie im Dezember gleichzeitig mit einer Expertise der Baudirektion, die ihm gravierende Mängel in seiner Projektierung ankreidete. Unter anderem waren darin Unstimmigkeiten bei der Stahlbetonkonstruktion und der Kuppel aufgeführt.
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Nach einer Überarbeitung wurde Perraults Kuppelnetz schon niedriger (Foto: archiv/rufo) |
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Außerdem zweifelten die Behörden die Tragfähigkeit des Gebäudes unter großen Schneelasten an und bemängelten das geplante Lüftungssystem sowie das Sicherheitskonzept in Brandfällen. Auch würde das neue Gebäude viel mehr kosten als noch beim Wettbewerb angekündigt. Der russische Vize-Kulturminister Michail Schwidkoi forderte darauf von Perraults Büro die dringliche Behebung der Fehler und kündigte eine weitere Verzögerung des Neubaus an.
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Bauauftrag wird an russische Firmen vergeben
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Perrault war erstaunt über das Verhalten der Behörden und deren Vorwürfe und versicherte, man habe sich regelmäßig mit deren Vertretern getroffen, um allfällige Fragen und Probleme zu beseitigen. Schon im Dezember äußerte er gegenüber der Zeitung Kommersant die Vermutung, hinter der Expertise stecke die Absicht der staatlichen Stellen, ihm das Wasser abzugraben und den Bau mit einer anderen Planungsfirma auszuführen.
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Nun ist es soweit die Kooperation ist aufgelöst. Neben der Übergabe der Unterlagen für das Projekt, an dem Perrault nur die Autorenrechte und eine eher diffuse Autorenaufsicht behalten wird, sind offenbar auch bereits die finanziellen Fragen geregelt. Der Auftrag zur Detailplanung und Bauleitung wird neu ausgeschrieben werden, diesmal jedoch ausschließlich unter russischen Konstruktionsfirmen.
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Bereits ein "frisiertes" Mariinski-Projekt
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Perrault ist nicht der erste Architekt, der mit dem Mariinski-Theater als Auftraggeber auf die Nase gefallen ist. Auch Xavier Favre, der die Errichtung der sogenannten dritten Mariinski-Bühne an der nahen Pisarew-Straße projektiert hatte, war der Vertrag gekündet worden. Nach der Eröffnung des noch nicht vollständig fertig gestellten Konzertsaals hatte er gegenüber den Medien kritisiert, bei der Ausführung sei massiv gespart worden, in dem man für Decke und Boden wesentlich billigeres und schlechteres Material verwendet habe.
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Erstaunlicherweise, so merkt die Internetzeitung fontanka.ru an, sei das Projekt zum Umbau des ausgebrannten Kostüm- und Dekorationslagers dadurch nicht günstiger geworden, sondern habe statt 18 stolze 23 Millionen Euro verschlungen. Man kann deshalb durchaus annehmen, dass das etwa zehnmal teurere Projekt Perraults nun eine ähnlich "frisierte" Realisierung erwartet. (eva/.rufo)
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