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Ein brennender Panzer nach den kriegerischen Auseinandersetzungen zwischen russischem und georgischem Militär in Südossetien (Foto: TV)
Ein brennender Panzer nach den kriegerischen Auseinandersetzungen zwischen russischem und georgischem Militär in Südossetien (Foto: TV)
Mittwoch, 20.08.2008

Welche Grenzen hat Russland verletzt, Herr Steinmeier?

Wolfgang Seiffert, Hamburg. Im Streit zwischen dem deutschen Außenminister Frank-Walter Steinmeier und dem Ex-Kanzler Gerhard Schröder, hat der Außenminister die These aufgestellt, Russland habe „die Grenze überschritten“.

Steinmeier meint damit nicht eine Grenze zwischen zwei Staaten, sondern er meint damit, Russland habe die Grenze der erlaubten Handlungsmittel überschritten.

Wer aber legt fest, beziehungsweise woraus ergibt sich, was einem Staat in den internationalen Beziehungen erlaubt beziehungsweise was verboten ist? Dies regelt allein und ausschließlich das geltende Internationale Recht – oder, wie es in der deutschen Sprache heißt, das Völkerrecht.

Bei Russland-Aktuell
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• Staatstrauer um die Toten in Südossetien und Georgien (13.08.2008)
• Krieg unter Glaubensbrüdern – Religionen im Kaukasus (13.08.2008)
Wenn also Herr Steinmeier sagt – und noch dazu als Außenminister –, Russland habe eine Grenze überschritten, erhebt er eindeutig den Vorwurf, Russland habe mit oder in seiner Militäraktion im Georgienkonflikt das Internationale Recht verletzt. Steinmeier bezieht seinen Vorwurf konkret darauf, dass Russland auf georgische Städte Bombenattacken durchgeführt habe (vergleiche SPIEGEL - online vom 16. August 2008.)

Wer solche Behauptung aufstellt, unterwirft sich zwingend dem Gebot des „quod erat demonstrandum“. Diese Aufgabe kann man nicht erfüllen, indem man einen Einzelakt untersucht, ohne ihn als Teil der Gesamtaktion zu würdigen, um die es hier geht.

Die Militäraktion Russlands gegen Georgien aber war die Antwort auf einen aggressiven Angriff georgischer Truppen auf ossetische Bürger mit russischer Staatsangehörigkeit und auf russische Blauhelmsoldaten, die auf Grund eines Stationierungsabkommens zwischen Russland und Georgien aus dem Jahre 1995 in Georgien stationiert sind.

Bei einem solchen Angriff handelt es sich um eine Völkerrechtsdelikt, bei dessen Vorliegen das kollektive und individuelle Selbstverteidigungsrecht zur Anwendung kommt, das den Betroffenen und den Schutzmächten – in diesem Falle Russland – das Recht zur Gewaltanwendung einräumt. Dazu kann auch die Bombardierung von militärischen oder auch militärisch genutzter Flugplätzen gehören. Eine Überschreitung der Grenzen des Russland zustehenden Selbstverteidigungsrechtes ist also nicht feststellbar.

Nun erfährt das Selbstverteidigungsrecht wie alle Rechte der Staaten aus internationalem Recht eine Einschränkung durch das Prinzip der Verhältnismäßigkeit. Letzteres schließt aber seine Anwendung nicht überhaupt aus, sondern bestätigt vielmehr, dass die Anwendung von Gewaltmaßnahmen einschließlich militärischer Gewalt erlaubt ist.

Über das Vorliegen der Voraussetzungen und über die Frage der Verhältnismäßigkeit wird man stets unterschiedlicher Meinung sein, vor allem die Parteien des Konflikts selbst.

Eine Entscheidung hierüber kann daher sinnvoller Weise nur ein Gericht treffen, nicht aber ein Außenminister eines anderen Staats, der sich so zum selbst ernannten Richter machen würde.

Herr Steinmeier geht auch in anderer Hinsicht über eine bloße Meinungsäußerung – die ihm natürlich zusteht – insofern weit hinaus, als er dezidiert feststellt, Russland habe die Grenze (des Erlaubten) überschritten und daraus Konsequenzen für die Beziehungen zu Russland androht.

Damit setzt sich Herr Steinmeier – ebenso wie die Außenminister der NATO-Staaten mit ihrer Tagung in Brüssel – dem Vorwurf aus, Russland das Recht auf Selbstverteidigung absprechen und Russland als zweitrangigen Staat ansehen zu wollen.
Der Beteuerung, der Dialog müsse dennoch auch mit Russland fortgeführt werden, wird damit die Grundlage entzogen, auf der er überhaupt geführt werden kann.

Gastkommentar von Wolfgang Seiffert, Hamburg

Prof. Dr. Wolfgang Seiffert war bis 1994 Direktor des Instituts für osteuropäisches Recht der Universität Kiel und lehrte danach am Zentrum für deutsches Recht der Russischen Akademie der Wissenschaften in Moskau.


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