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Montag, 01.07.2002

Viele Fragen: Geheimnisvoller Kursk-Abschlussbericht

Von Gisbert Mrozek, Moskau. Die Kursk ist durch die Explosion mehrerer Torpedos versenkt worden, die wiederum durch die Detonation von Torpedo-Treibstoff ausgelöst wurde. Das ist das offizielle Ergebnis der regierungsamtlichen Kursk-Untersuchungskomission, halb-offiziell mitgeteilt von deren Mitglied, dem Vize-Admiral und Duma-Abgeordneten Valerij Dorogin. Der Abschlussbericht selbst wird aber als „Streng geheim“ eingestuft. Die Reste der Kursk in der Barentssee sollen gesprengt werden. Unbeantwortet bleibt aber bis auf Weiteres die wichtigste Frage: was löste eigentlich die erste Explosion aus ? Eine Frage, der bisher ausnahmslos alle Offiziellen auswichen.

Nach der letzten Sitzung der Untersuchungskomission am Montagnachmittag sprach Dorogin mit der Agentur Interfax. Die Torpedovorräte an Bord der Kursk, sagte Dorogin, hätten nicht von selbst detonieren können, da sie nicht scharf, sondern ohne Zünder gelagert würden. Der enorme Temperatur- und Druckanstieg nach der ersten Explosion habe dann aber die Katastrofe unabwendbar gemacht.

Wodurch aber diese erste Explosion ausgelöst wurde, dazu hat sich bisher niemand offiziell geäussert – ausser Marinesprechern, die gleich nach der Katastrofe abenteuerliche Theorien von treibenden Weltkriegsminen und geheimnisvollen Nato-Ubooten verbreiteten.

Diese Theorien sind jetzt endgültig vom Tisch. Populärer war die Theorie, dass der „Dicke Torpedo“ defekt war und Treibstoff austrat, der sich schliesslich beim verhängnisvollen Versuch der Besatzung, ihn abzufeuern, selbst entzündete. Sie stammt von den verschiedensten Marineexperten und Offizieren a.D.. Sie wurden von russischen Medien in dem Versuch aufgegriffen, eine Erklärung für die Katastrophe zu finden, die Russland erschütterte.

Aber weder der Komissionsvorsitzende Ilja Klebanow, noch Generalstaatsanwalt Wladimir Ustinow noch Kursk-Chefkonstrukteur Igor Spasskij noch Kreml-Sprecher Sergei Jastrschembskij noch irgendein anderer Offizieller haben diese Theorie aufgegriffen.

Igor Spasskij orakelte in einem Interview, die Kursk sei praktisch „durch eine Art Gefechtsschaden“ versenkt worden. Er kam damit dem Geheimbericht des FSB an Putin sehr nahe, in dem es im Herbst 2000 geheissen hatte, das Flaggschiff der Nordmeerflotte, der Atomkreuzer Peter der Grosse habe eine Anti-Uboot-Rakete abgefeuert, die dort ins Wasser traf, wo später die Kursk gefunden wurde. Der FSB-Bericht wurde von der Flottenführung dementiert, aber nie wirklich widerlegt.

Admiral Wjatscheslaw Popow, der zur Zeit der Katastrophe die Nordmeerflottenmanöver kommandierte, hatte kurz danach tief betroffen in die Kamera gesagt, er wolle „dem in die Augen sehen, der das organisiert hat“. Im vergangenen Herbst entliess Putin die gesamte Nordmeerflottenführung wegen „schwerer Fehler bei der Manöverplanung und Durchführung sowie bei den Rettungsarbeiten“. Anfang Juni sagte Popow, inzwischen Vertreter des Gebietes Murmansk im Oberhaus, er wolle über die Ursachen der Kursk-Katastrofe gar nicht reden. „Das schmerzt zu sehr. Die ganze Wahrheit dürfen wir nicht sagen.“

Der Staatsanwaltschaft und der staatliche Untersuchungskomission wurden bei den Ermittlungsarbeiten Scheuklappen angelegt und ein Maulkorb umgehängt. In einer langen Schwarzen Liste legte die Flottenführung im Endstadium der Untersuchungen selbst fest, welche Erkenntnisse und Informationen weiterverfolgt werden dürfen und welche als so geheim eingestuft werden müssen, dass sie sogar für die Staatsanwälte tabu sind.

Sogar der derart ausgedünnte Abschlussbericht der Untersuchungskomission soll nun für die Öffentlichkeit geheim bleiben.

Das Büro des Komissionsvorsitzenden Ilja Klebanow lehnte es auf Anfrage sogar ab, die Aussagen des Vizeadmirals Dorogin zu kommentieren, da es sich nicht um ein offizielles Statement, sondern nur um die persönliche Meinung des Admirals handele.

Dorogin selbst klammerte die eigentlichen Katastrofenursachen aus, schilderte aber die dramatische Zeit nach der ersten Explosion umso ausführlicher.

Nach der Detonation des Dicken Torpedos brach ein Brand im Vorschiff aus. Die Besatzung in der Sektion 1 war tot, der Rest betäubt. Der Brand und die Druckwelle brachte dann zwei Minuten später die restlichen Torpedos zur Explosion, die das Vorschiff des Atom-Ubootes wegrissen.

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