Donnerstag, 31.03.2005
Moskauer Teenager haben schon vier Uni-DiplomeVon Karsten Packeiser, Moskau. Als Diana und Angela Knjasewa vor einigen Jahren das erste Mal einen landesweiten Wissenschaftler-Wettbewerb gewannen, wurden sie nicht zur Preisverleihung vorgelassen.
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Die beiden Schwestern hatten noch keinen Personalausweis, den sie am Eingang des Moskauer Rathauses hätten vorlegen können. Und überhaupt sahen sie mit ihren 12 bzw. 13 Jahren auch etwas jung für echte Forscher aus.
Heute, im Alter von inzwischen 17 und 19, können die beiden jungen Moskauerinnen schon je vier Hochschuldiplome vorzeigen und schreiben in New York an ihren Doktorarbeiten während ihre deutschen Altersgenossinnen bestenfalls erste Pläne für die Zeit nach dem Abitur schmieden.
Jüngste Magister von Stanford
Die Laufbahn der beiden jungen Finanzwissenschaftlerinnen verläuft seit der Einschulung in Höchstgeschwindigkeit. Mit 10 bzw. 11 Jahren hatten die Schwestern bereits das russische Reifezeugnis in der Hand. Drei Jahre später absolvierten sie mit Auszeichnung die Finanzakademie in Moskau. Ein Jahr danach hatten die beiden Mädchen zusätzlich zum Wirtschafts- auch noch ein Juristendiplom. Nur die Hälfte der Regelstudienzeit benötigten sie anschließend, um die jüngsten Magister in der Geschichte der kalifornischen Elite-Universität Stanford zu werden. Nebenbei fanden sie immer Zeit zum Tanzen oder Inlinescaten, verhielten sich oft wie ganz „normale“ Teenager und denken manchmal auch daran, irgendwann eine eigene Familie zu gründen.
„Als wir das erste Mal in einer Hochschule immatrikuliert wurden, waren die anderen Studenten unseres Semesters sechs bis sieben Jahre älter als wir“, erzählt Angela Knjasewa. „Das war in der ersten Zeit ein ziemlicher Kulturschock für sie und für die Professoren.“ Die beiden Schwestern hatten da bereits zur Genüge Erfahrungen im Umgang mit Älteren gesammelt: Insgesamt 80 Mal mussten sie ihr Wissen von Kommissionen der Schulbehörden beweisen. Denn jedes Mal versuchten die ungläubigen Prüfer zunächst, die Wunderkinder als Schwindler zu entlarven.
Bildungsmanagement für Wunderkinder
Der Schulbeginn fiel in eine unruhige Zeit in Russland. „Kanonen schossen auf das Parlament und in den Läden gab es nichts zu kaufen“, erinnert sich Mutter Julia. Nur eine Woche lang hielten es die beiden Schwestern damals in der ersten Klasse aus, in die sie zusammen eingeschult worden waren. Auch, als sie zunächst zwei Klassen übersprangen, fühlten sie sich noch so hoffnungslos unterfordert.
„Wir haben irgendwann verstanden, dass wir sie nicht bremsen können“, sagt Julia Knjasewa, die zwischentzeitlich sogar versuchte, die Sachbücher ihrer wissenshungrigen Kinder zu verstecken. „Bildungsmanagement“ nennt sie ihren Beitrag zur atemberaubenden Karriere ihrer Töchter. Mit PC-Lernprogrammen, Theaterbesuchen und einer eigens entwickelten Methodik bemühte die promovierte Pädagogin sich, bei den Kindern die Lust am Lernen aufrecht zu erhalten. Das genaue Gegenteil davon geschehe allzu oft im Kindergarten und in der Schule, sagt sie. Gezwungen worden seien die beiden Töchter nie zu irgendetwas. „Als sie fünf bzw. sieben Jahre alt waren, haben die beiden ein Vetorecht bei allen Entscheidungen bekommen, die ihre weitere Ausbildung betrafen.“
Wir sind einfach alle verschieden
„Ich war schon immer sehr ehrgeizig und habe mir immer hohe Ziele gesteckt“, erzählt Angela, „Diese Ziele habe ich dann erreicht, egal wie schwierig das war und was alle anderen machten.“ Natürlich gebe es viele Menschen, die lieber zehn oder zwölf Jahre lang zur Schule gehen, meint die jüngere Schwester Diana. „Das ist ihr Recht. Sie sind deswegen nicht schlechter oder besser als ich. Wir sind einfach alle verschieden.“
Grundsätzlich, meint Mutter Julia, könne die Erfahrung ihrer Familie sicher auch anderen Kindern und Eltern helfen. Eltern hätten die Pflicht, ihren Kindern dabei zu helfen, eine optimale Ausbildungsstrategie zu finden. Sie dürften nicht einfach nur darauf vertrauen, dass die staatlichen Schulen alles zum besten richten. Auch die unter neureichen Russen verbreitete Praxis, den Nachwuchs in der Hoffnung auf optimale Betreuung auf ein teures Internat abzuschieben, sei keineswegs eine Lösung: „Die bekommen ein anderes Kind zurück, als sie gerne hätten.“
Die beiden Knjasewa-Schwestern wurden schon vor Jahren in das russische Guiness-Buch der Rekorde aufgenommen. In den USA haben sie es zumindest etwas leichter. Zwar sind die beiden auch dort etliche Jahre jünger als alle Forscher um sie herum, aber inzwischen werden sie von niemandem mehr nach ihrem Alter gefragt. „Ich glaube nicht, dass irgendjemand sich dafür interessiert, wie alt ich bin, wenn wir mathematische Modelle besprechen“, meint Diana.
(epd)
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