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Kosaken in Kanewskaja (Foto: Ballin/.rufo)
Kosaken in Kanewskaja (Foto: Ballin/.rufo)
Dienstag, 08.07.2003

Russlands Kosaken schwingen wieder die Säbel

Von André Ballin, Krasnodar. Mit der Wiederauferstehung Russlands aus den Trümmern des Sowjetreiches erwachte auch die Kosakenbewegung zu neuem Leben. Sie fühlen sich als eigenes Volk, zählen sich jedoch zu den Slawen. „Kosake kann man nicht werden, dazu ist man geboren“, sagt Sergej Kisseljow, ein alter Kosakenoffizier. Doch wichtiger als die Nation ist die Religion, denn nur orthodoxe Christen sind in den Reihen des Reitervolkes zu finden. Es gab wohl schon Armenier bei den Kosaken, noch nie aber Andersgläubige. Die weltgrößte Kosakensiedlung ist Kanewskaja. Sie liegt zwei bis drei Autostunden nordwestlich von Krasnodar und hat etwa 46.000 Einwohner.

Kanewskaja selbst versprüht eher den Charme eines sowjetischen Provinzstädtchens. Ein Lenindenkmal steht auf dem Hauptplatz der Stadt, die Straßen sind asphaltiert und die Kosaken wohnen nicht mehr in Hütten oder Bauernhäusern, sondern in schlichten Stadtwohnungen.

Viele Kosaken arbeiten heute in zivilen Berufen, z.B. beim nahe gelegenen Landwirtschaftsbetrieb „Pobeda“ („Sieg“). Doch die Kosakenverbände sind immer noch hierarchisch strukturiert. An der Spitze steht ein Ataman. Bei den Kubaner Kosaken ist das Wladimir Gromow, ein 55 – 60-jähriger Mann mit Brille, Rauschebart und in Paradeuniform, der beim Sprechen ein wenig lispelt. Zu Sowjetzeiten war er Dozent an der Universität und in der Perestroika begann er Vorlesungen über das Kosakentum zu halten. Nach dem Untergang der Sowjetunion wurde er zum ersten Ataman der Region gewählt und ist es bis heute.

„Über eine Million Kosaken leben in Kuban“, weiß er zu berichten, davon seien mehr als 500.000 aktiv. Auch in seiner Familie sind nicht alle organisiert. Zwei ältere Brüder hat der Ataman noch. Der älteste sei, wie er, in den Kosakenverbänden aktiv, der mittlere verspüre keine Lust dazu. Die Motivation für ein Engagement in den Verbänden liegt einerseits im orthodoxen Glauben, andererseits in der traditionellen Gemeinschaft. Die Aufgaben der Kosaken umriss Gouverneur Tkatschow selbst: Sie liegen in der „militärisch-patriotischen Ausbildung, der vormilitärischen Ausbildung der Jugend und dem Schutz der öffentlichen Ordnung.“

Kosaken-Chor (Foto: Ballin/.rufo)
Kosaken-Chor (Foto: Ballin/.rufo)
Mitte der 90er Jahre beteiligten sich die Kosaken am ersten Tschetschenienfeldzug auf Seiten der Föderationstruppen. Etwa 500 von ihnen kämpften als Freiwillige, weil sie ihre „Brüder“ im Gebiet Stawropol und der Republik Tschetschenien in Gefahr sahen. 32 kamen im Zinksarg zurück. Das war Ataman Gromow eine Lehre und so lehnte er eine Beteiligung der Kosaken im zweiten Tschetschenienkrieg ab. Es sei „ohnehin Aufgabe der Kosaken gegen äußere Feinde zu kämpfen und nicht gegen innere“, so Gromow.

In der Provinz genießen die Kosaken die volle Unterstützung. Gouverneur Tkatschow bezeichnet sein Gebiet als „Kosakenerde“ und sie selbst als „Teil der Geschichte und Kultur der Region.“ So dürfen inzwischen auch die Kleinen wieder in der Kultur der Kosaken unterwiesen werden. Das Finale der V. Kosakenjugendspiele erinnerte in seiner Choreographie allerdings ein wenig an die alten Sowjetspartakiaden. In einem Stadion laufen mehrere Fußballmannschaften ein, jeweils geführt von einem Soldaten. Fahnen werden geschwenkt und über Lautsprecher verkündet einen Frauenstimme den Zuschauer die Erfolge der einzelnen Mannschaften. Dann dürfen die einzelnen Funktionäre auf der Bühne ihre Reden halten. Einziger Unterschied zu früher: Auf der Bühne tanzen auch Jugendliche und Kinder in Kosakenunifomen. Diese Uniformen haben eine lange Tradition und künden von der Geschichte des Reitervolkes.

Kosaken-Veteranen in Kanewskaja (Foto: Ballin/.rufo)
Kosaken-Veteranen in Kanewskaja (Foto: Ballin/.rufo)
Vor etwas mehr als 200 Jahren siedelte Katharina die Große die Kosaken in Südrussland an, um die Reichsgrenzen zu schützen. Dafür wurden sie mit Land beschenkt. Eine Legende besagt sogar, dass Katharina den schönsten Frauen des Landes befohlen habe, sich in Kranodar (damals Jekaterinodar) anzusiedeln, nur, um den Kosaken die Region schmackhaft zu machen. Während der Oktoberrevolution erwiesen sich diese als treue Gefolgsleute des Zaren. Deshalb wurde ihre Kultur während der Sowjetzeit unterdrückt und viele von ihnen deportiert. Dennoch gelang es ihnen, ihre Traditionen zu bewahren.

Einst kamen die Kosaken als Krieger in die Region Kuban, wie das Gebiet Krasnodar wegen des gleichnamigen Flusses auch genannt wird. Mit gezückten Säbeln ritten sie früher hoch zu Pferde. Den Säbel schwingen sie heute noch geschickt und wenn sie inzwischen im Alltag auch auf das Auto umgestiegen sind, ein paar Pferde haben sie noch. Die Kleidung der Kosaken ist bunt. Die Männer tragen leuchtendrote, blassblaue oder schwarze Uniformen. Ein Schnurrbart schmückt die etwas älteren von ihnen. Die Frauen sind mit weiten bunten Röcken, hellen Blusen und Kopftüchern bekleidet.

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Doch der Besucher bekommt auch noch mehr zu sehen. Frauen und Männer singen alte Volkslieder, tanzen ausgelassen und bitten gastfreundlich zu Tisch. Es ist sehr schwer, sich zu entziehen, doch noch schwerer ist es, in jedem Hof (in der Sprache der Kosaken Kuren‘) soviel zu essen und zu trinken, wie einem angeboten wird. Die Tafeln biegen sich unter der Last der Mahlzeit: Piroggen, Pelmeni, Fisch und Fleisch, Obst und Gemüse. Dazu gibt es „Samogon“ („Selbstgebrannten“). In manchen Kureni bieten die Hausherren auch selbst gemachten Kwas an. Sehr lecker und mit deutlich weniger Nebenwirkungen als Samogon.

In allem, was die Kosaken tun, ist eine meridiane Lebensfreude zu verspüren, die den Beobachter fasziniert. Darum sind die Menschen, trotz aller Widersprüche, die der Kosakenbewegung inne wohnen, liebenswert und herzlich.

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