Montag, 21.02.2005
Bush trifft Putin: Weder Durch- noch EinbruchMoskau. Man fragt sich in Russland, ob das Timing der Europa-Reise des US-Präsidenten George W. Bush für Wladimir Putin günstig oder eher bedenklich sei. Wird das Treffen am Donnerstag in Bratislawa ein Schlußakkord oder wird Russland den EU-Europäern und selbst der Ukraine hintangestellt?
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Das Hauptziel der Bush-Reise sei es, vor allem die Beziehungen zwischen den USA und Europa wieder ins Lot zu bringen, sagte der Sicherheitsberater des US-Präsidenten Stephen Hadley vor Beginn der Tournee. Seine Äußerungen zu Russland gingen nicht über die schon übliche Besorgnis in Sachen Syrien, Iran und Demokratie hinaus.
Bush will keinen neuen Start
Präsident Bush selbst erklärte in einem „Iswestija“-Interview, Wladimir und er bräuchten keinen neuen Start. Sie seien Freunde. Man habe wieder einen gemeinsamen Feind, den Terrorismus. Amerika sei von diesem genauso überfallen worden wie Russland. Und eine kleine Spitze gegen Freund Wladimir: Es gebe keine bessere Methode dagegen anzukämpfen, als Verbreitung von Freiheit und Demokratie in der Welt. Freie Gesellschaften hören besser auf das eigene Volk und dessen Forderungen.
Würdigung des Sowjetvolkes im Zweiten Weltkrieg
Indirekt bekamen auch die durch ihre demonstrative Zurückhaltung vorpreschenden Balten eines vom Us-Präsidenten auf die Nase: Bush will unbedingt zur 60-Jahrfeier des Sowjetsieges über Deutschland nach Moskau kommen. Das solle „allen klar sein“. Die russischen Veteranen und das russische Volk hätten „unwahrscheinliche Leiden überstanden“. „Danke Euch für die Aufopferungsbereitschaft“, wolle er ihnen sagen. Er setze große Erwartungen in die Moskauer Feierlichkeiten, so Bush.
Putin soll unbegreifliche Entschiedungen erläutern
Sein Freund Wladimir treffe wie auch er selbst - zahlreiche Entscheidungen, sagte Bush scheinbar zusammenhanglos weiter. Darüber möchte er mit ihm reden, ihn fragen, warum er „so oder anders“ handle.
Nicht nur der US-Präsident möchte wissen, warum Putin den syrischen Präsidenten Baschar Assad und den Chef des iranischen nationalen Sicherhheitsrates Houruschani kurz vor dem Bratislawa-Gipfel im Kreml empfing. Waffenlieferungen an Syrien und Venezuela wurden in dieser Zeit vereinbart, was den Verdacht weckte, Freund Wladimir wolle Freund George absichtlich ärgern. Das hatte es schon einmal gegeben, als Putin zu Beginn der ersten Amtszeit des US-Kollegen Fidel Castro auf Kuba aufsuchte und von da aus die USA umflog, um Kanada aufzusuchen.
Russische Politologen streiten nun darüber, wer wo nachgeben wird, sind sich aber bei dem Punkt einig, dass es beim Zusammentreffen am Donnerstag in Bratislawa weder einen Durch- noch einen Einbruch geben werde. Der Vorsitzende des auswärtigen Ausschusses der Staatsduma Konstantin Kossatschow glaubt, dass Washington Moskau aus globalpolitischem Interesse und wegen dessen Erdöls langfristig braucht. Das Öl werde immer knapper, und Russland sei zwar keine Supermacht mehr, jedoch immer noch ein mit Atomraketen bestücktes Sechstel der Erdoberfläche. Bush werde sich also zurückhalten.
Unzufriedenheit mit Putins Außenpolitik im eigenen Land
Galt Putins Außenpolitik während seiner ersten Amtszeit als seine Stärke, so wird jetzt Enttäuschung darüber laut. Man habe erwartet, dass Außenminister Sergej Lawrow seine Georgienreise abbrechen werde, nachdem sie vom Staatsbesuch zu einem Arbeitsbesuch degradiert wurde, sagte der Moskauer Experte Andarnik Migranjan. Geschluckt habe der Kreml auch die erniedrigende Schlappe in der Ukraine. Mutige, unkonventionelle Schritte wären jetzt erforderlich, so der Politologe. Statt dessen werde „die Hand Washingtons“ für die eigenen Niederlagen auf dem Gebiet der früheren UdSSR verantwortlich gemacht.
Druck der Neokonservativen
Vor diesem Hintergrund wird darüber spekuliert, ob Präsident Bush „unter dem Druck der Neokonservativen in seiner Umgebung“ die Jukos-Affäre und autoritäre Tendenzen in der russischen Innenpolitik und Tschetschenien ansprechen wird. All das ist indes nun wirklich ein vielstrapazierter, alter Hut. Viel interessanter wären Putins Sozialreformen, die neuerdings offen als „hirnverbrannt“ bezeichnet werden (so Ex-Zentralbankchef Viktor Geraschtschenko). Doch nach so etwas fragt man gute Freunde eben nicht.
(adu/rufo)
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