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Der brennende Reichstag am 27.2.1933
Der brennende Reichstag am 27.2.1933
Montag, 15.03.2004

Manege-Feuer noch kein Reichstagsbrand

Von Lothar Deeg, St. Petersburg. 20 Minuten, nachdem die ersten Teilergebnisse den eindeutigen Sieg Wladimir Putins bei den Präsidentenwahlen verkündeten, schlugen Flammen aus dem Ausstellungssaal „Manege“ direkt neben dem Kreml. Das Großfeuer mitten in Moskau verdrängte die laufende Stimmenauszählung von Platz 1 in den Nachrichten. Russlands oberster Wahlaufseher Alexander Weschnjakow wollte am nächsten Morgen nicht an einen Zufall glauben. Beginnt Putins zweite Amtzeit also mit einem Hauch von Reichstagsbrand?

Zwei Feuerwehrmänner kamen bei den Löscharbeiten ums Leben, der klassizistische Bau war nicht zu retten. Aber selbst wenn sich herausstellen sollte, dass es kein Kurzschluss war, sondern ein Brandstifter gezündelt haben sollte: Nach dem Reichstagsbrand-Szenario müsste der Staat nun mit einer breiten Hexenjagd auf Putin-Gegner beginnen. Vorerst ist davon nichts zu bemerken: Im Gegenteil: Putin dankte nach der Wahl seinen – von vornherein chancenlosen - Konkurrenten, dass sie mit ihm überhaupt in den Ring gestiegen waren.

Noch in der Wahl- und Brandnacht versprach Putin, moderat wie schon lange nicht mehr, alles zu tun, um „das Mehrparteiensystem und die Zivilgesellschaft zu stärken und die Pressefreiheit zu gewährleisten“. Mit 71 Prozent Zustimmung aus formal-demokratischen Wahlen und einer ähnlich starken Duma-Mehrheit seiner Hof-Partei „Einiges Russland“ im Rücken, einer willfährigen Justiz zur Hand und einem mit viel Geheimdienst- und Militärkadern durchsetzten Staatsapparat zu Füßen kann Putin nun beinahe schalten und walten, wie er will. Aber er versprach Demokratie. Dabei ist klar: Ob es in Russland auch in Zukunft für Bürger wie Parteien noch ein Recht auf Widerspruch und eine eigene Meinung sowie leidlich freie Medien und halbwegs faire Wahlen geben wird, das wird jetzt einzig und allein von diesem einem Mann entschieden. Der Zar kann geben und der Zar kann nehmen.

Geschichtsbewusste wie abergläubische Russen erinnerte der Manege-Brand in der Wahlnacht an ein anderes Menetekel zu Beginn einer Herrschaftszeit: 1896 sollten zur Feier der Krönung des Zaren Nikolaus II. auf dem Chodinka-Feld Geschenke an das Volk verteilt werden. Eine halbe Million Moskauer schwappte nächtens hinaus vor die Stadt – nach offizieller Zählung wurden dabei 1389 Menschen erdrückt, erstickt und zertrampelt. Gefeiert wurde anschließend trotzdem, wie als sei nichts geschehen. Nikolaus, unfähig adäquat zu reagieren, bekam den inoffiziellen Beinamen „der Blutige“ – und wurde samt seiner Dynastie zwei Jahrzehnte später von der Revolution hinweggefegt. Bisher bewies Putin mehr Augenmaß und Rücksicht aufs Volk. Aber Russland steht und fällt auch mit ihm.
(ld/rufo)

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