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Ein stilles und ebenso schönes Fleckchen Erde mitten in Peterburg: Die Jelagin-Insel (Foto: ld/rufo)
Ein stilles und ebenso schönes Fleckchen Erde mitten in Peterburg: Die Jelagin-Insel (Foto: ld/rufo)
Donnerstag, 29.06.2006

Parks im Test: Grüne Lungen gegen graue Gedanken

St. Petersburg. Sommer, Sonnenschein, Spazierengehen – in den Wonnemonaten will man nur noch eins: Sonnenbrille auf die Nase und der Kellerbräune „Ade!“ sagen – am liebsten im Grünen und an leidlich frischer Luft.

Doch gibt es derartige Oasen in St. Petersburg überhaupt - oder ist die Datscha nach wie vor die einzige Möglichkeit, dem Großstadtmief zu entfliehen? Stefanie Barth, Eugen von Arb und Hannah Beitzer packten ihren Picknickkorb und nahmen die grünen Lungen der Stadt genauer unter die Lupe.

Für Hyperaktive: Primorski Park Pobedy


(Metro Krestowski Ostrow) Sonnenhungrig treten wir aus der Metrostation Krestowski Ostrow – und purzeln vom Bordstein direkt in eine mittelgroße Baugrube. Doch in freudiger Erwartung auf Vogelgezwitscher und eine frische Meeresbrise steuern wir an Kränen und Baggern vorbei auf den Eingang des „Küsten-Siegesparks“ zu. Eines wird uns sofort klar: Hierher kommt man nicht, um faul in der Sonne zu liegen. Nein, auf der asphaltierten Route in Richtung Küste finden wir Buden für Fahrrad- und Rollerbladeverleih sowie eine Kartbahn.

Zahlreiche Biker, Skater und Jogger lassen uns verschämt den winterspeckigen Bauch einziehen und schnell den Weg zum Meer einschlagen. Dabei werden wir aus riesigen Boxen mit dem neuesten Russendisko-Sound beschallt, so dass es mit dem von uns erwünschten Naturerlebnis nicht weit her ist. Dazu tut der rechts am Weg liegende Freizeitpark mit Achterbahn, Karussell und Autoscooter ein übriges. Endlich taucht sie dann vor uns auf: die Treppe zum Meer. Denken wir jedenfalls.

Doch nach endlos vielen Stufen müssen wir erst noch das Kirowstadion umkreisen – um uns am Rande einer Autorennstrecke wiederzufinden. Das schmälert doch den Genuss des Meerblicks beträchtlich. Auch der Rückweg durch den erholsameren Grünabschnitt des Parkes kann uns nicht vollends versöhnen.

Alles in allem ist der Gedanke, hier gemeinsam mit den aktiven Vergnügungssüchtigen der Stadt den Sonntagnachmittag zu verbringen, nicht gerade erholsam. Zu viel Rummel, zu viel Technik, zu wenig Natur. Doch in Gedanken an unsere sportbegeisterten Leser und in Anbetracht der tollen Küstenlage reicht das noch für 2 Picknickkörbe

Für Strandläufer: Park 300-letija Sankt-Peterburga


(Metro: Staraja Derewnja und weiter per Marschrutka, Öffnungszeiten: 7-23 Uhr) Eine etwas komplizierte Anfahrt muss der Besucher des Parks namens „300 Jahre St. Petersburg“ schon in Kauf nehmen: Von der Metro geht es mit dem Minibus mitten hinein in eine gigantische Hochhaussiedlung am Finnischen Meerbusen. In den Park selbst dürfen zur Freude aller Familien, die ihren Kindern den Anblick von betrunken herumliegenden Wodkaleichen ersparen wollen, keine Spirituosen mit hineingenommen werden.

Wir sind hinreichend nüchtern und durchschreiten frohgemut den Eingang. Die Ostsee ist gleich zu sehen, denn über die erst vor drei Jahren angepflanzten Bäumchen können sogar Menschen wie wir, die die 1,60-Meter-Marke nur knapp überschreiten, ohne Probleme hinwegblicken. Wir schlendern die Promenade zum Strand entlang, vorbei an Kiosken, Bierzelten und Kinderspielplätzen.

Und dort sitzen wir nun lange am einzigen echten Sandstrand der Stadt, lassen uns die frische Meeresbrise um die Nase wehen und genießen die Stille, die – zumindest an diesem Donnerstag Vormittag – nur vom Wellenrauschen übertönt wird. Das ist Balsam für die gestresste Großstadtseele!

Entspannt, wie wir sind, fällt uns eine objektive Beurteilung natürlich schwer. Zugegeben, die Bäume sind wirklich mickrig und viele der Strandkioske noch im Aufbau begriffen. Doch wen interessiert das alles angesichts von Frischluft und Meeresrauschen? Macht also 4 Picknickkörbe.

Für Touristen: Letni Sad


(Metro: Newski Prospekt/Gostiny Dwor, Öffnungszeiten: 10 Uhr bis 22 Uhr) Klassisch und elegant erstreckt sich der Sommergarten entlang von Newa und Fontanka inmitten der Großstadt. Bereits am Eingang werden wir von einem riesigen Schild ermahnt, dass es verboten ist, die Grünflächen zu betreten. Also bleibt es uns hier unvergönnt, unseren Picknickkorb gemütlich auf einer Wiese zu leeren. Dafür säumen endlos viele Parkbänke die Gartenwege. Zwischen zahlreichen Statuen tummeln sich Touristen.

Nicht immer ist es im Sommergarten derartig angenehm leer (Foto: ld/rufo)
Nicht immer ist es im Sommergarten derartig angenehm leer (Foto: ld/rufo)
Angestrengt drängeln wir uns durch und suchen ein ruhiges Plätzchen am Rande des Parks. Leider bleiben wir auch hier von Trubel und Lärm nicht verschont, denn die stark befahrenen Straßen rundum holen uns aus unseren Träumen zurück in die Realität: Der Sommergarten ist die Mutter aller Petersburger Parks – bei einer gründlichen Stadtbesichtigung führt eigentlich kein Weg an ihm vorbei. Dementsprechend tritt man sich aber gegenseitig auf die Füße. Ein wahres Paradies lediglich für Taschendiebe und Touristen-Führer, die ahnungslosen Fremden überteuerte Dienste anbieten wollen. Nichts für uns alte Russland-Hasen also!

Der ganze Rummel wird uns zuviel und wir ergreifen die Flucht Richtung Ausgang – vorbei an einer endlosen Warteschlange vor dem Sommerpalast Peters des Großen. So haben wir uns einen erholsamen Parkbesuch nicht vorgestellt. Für seine Sauberkeit und die zahlreichen schattigen Bänke erhält der Sommergarten dennoch 2 Picknickkörbe.

Für Baumfreunde: Park Lesotechnitscheskoy Akademii


(Metro: Lesnaja) Der Park der Parks ist jener der Forstwirtschaftlichen Akademie – zumindest was den Baumbestand anbetrifft. Da der Wald um das weiß leuchtende Institutsgebäude gleichzeitig Lehrpfad und Studienobjekt ist, trifft man hier auf eine überdurchschnittliche Vielfalt von Baumarten. Eine weitere Besonderheit ist die "landschaftliche Spannung", die dieser Park in sich hat. Wer genug von flach-symmetrischen Musterparks hat, wird entzückt sein ob des hügeligen Auf und Ab, das die Wege hier nehmen.

Hier wird nicht nur spaziert und spazieren geführt, man kann auch auf fidele Schaschlik-Gruppen und versteckte Liebespärchen stoßen. Im Winter stochern hier zahlreiche Langläufer durch den Wald – kurzum: ein Park, um den Alltag und die Stadt zu vergessen. Die Infrastruktur ist abgesehen von einem Spielplatz und wenigen Parkbänken relativ mager, wobei man sich die nötige Verpflegung auch in Läden am Rand beschaffen kann.

Zudem liegt der Park verkehrstechnisch recht günstig und ist neben der Metro sogar per Elektritschka (Station Lanskaja oder Kuscheljowka) ab dem Finnländischen Bahnhof erreichbar. Für Wasserfans ist dieser grüne Winkel Petersburgs allerdings eindeutig zu trocken – sämtliche Teiche befinden sich im Übergangsstadium zwischen Biotop und Verlandung. Deshalb kriegt dieser tolle Park auch nur 4 Picknickkörbe

Für Sportler: Park Sosnowka


(etro: Udelnaja oder Politechnitscheskaja) Der Sosnowka-Park ist die flächenmäßig größte Grünanlage innerhalb der Stadt und die „Lunge“ für die riesigen Neubauquartiere im Nordens, die dahinter beginnen. Entsprechend deren Architektur besitzt auch der Park einen eintönigen Charakter: Er ist flach und besteht zu 99 Prozent aus den hierzulande dominierenden Birken.

Langweilt die Monotonie die einen, so mögen die anderen umso mehr. Zum Beispiel die vielen Jogger und Freiluft-Gymnastiker, die – der engen Neubauwohnung einmal entkommen – hier ihrem Bewegungsdrang in allen Richtungen freien Lauf geben. Reizvoll sind nur die kleinen und sauber gehaltenen Seen sowie die vielen Bier- und Schaschlik-Zelte am Parkrand.

Weniger erquicklich ist die schlechte Erreichbarkeit für alle, die nicht gerade in der Nähe wohnen. Denn von der Metro ist es ein gutes Stück Weges, das nur Orts- und Sprachkundige mit Straßenbahn oder Marschrutka zu überbrücken verstehen werden. Summa sumarum macht das drei Picknickkörbe.

Für Alltagsmüde: ZPKiO imeni Kirowa


(Metro: Krestowski Ostrow, Öffnungszeiten: 6-23 Uhr) Eine Ruhe-Oase mitten im Alltagstrubel – in dieser Hinsicht sammelt die Jelagin-Insel (sowjet-amtlicher Name: Zentraler Kirow-Park für Kultur und Erholung) aufgrund ihrer abgesonderten Lage bereits Bonuspunkte, bevor wir sie überhaupt betreten haben. Im Gegensatz zu den meisten anderen Grünflächen der Stadt wird dieser Park nicht von vielbefahrenen Straßen, sondern von Newa-Armen umgeben.

Für diesen Luxus zahlt man gerne die 20 Rubel Eintritt, die am Wochenende verlangt werden. Und auch weiter ist für einen ungezwungenen Sonntagsausflug alles geboten: Kleine Kioske bieten Eis und Zuckerwatte an. Mit Ausstellungen im Jelagin-Palast und Freiluftkonzerten werden auch die Kulturfreaks unter den Parkbesuchern zufrieden gestellt. Natürlich darf auch hier die Musikbeschallung nicht fehlen, doch anstelle dumpfer Russendisko-Beats werden wir von alten Sowjet-Schlagern berieselt. Ach, wie nostalgisch!

Für romantische Dates empfehlen wir außerdem eine Tretbootfahrt auf dem Geflecht der vielen Teiche, auch wenn die für 120 Rubel pro Stunde zur Verfügung gestellten Kähne so aussehen, als würde man mitsamt seinem Picknickkorb alsbald in den Fluten versinken. Wer es weniger seemännisch mag, kann sich auch Inline-Skates für 100 Rubel ausleihen – und läuft keine Gefahr, dabei von Hunden angekläfft zu werden, denn selbige dürfen die Insel nicht betreten. Der Jelagin-Park bietet also das ganze Spektrum eines Kinder-Überraschungseis: Spannung, Spiel und Schokolade. Wenn man an den kleinen Teichen entlang schlendert, dem Rauschen der Baumwipfel lauscht, die Eichhörnchen beim Herumtollen beobachtet, dann mag man hinterher nur ungern ins großstädtische Verkehrs-Chaos zurück. Deshalb bekommt die Insel von uns randvolle 5 Picknickkörbe

(SPZ)



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