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Metrostation Pl. Wosstanija (foto:Kronast)
Metrostation Pl. Wosstanija (foto:Kronast)

Metro: Stalins letzte Kathedralen

Der Bau zwischen den siebenstöckigen Stalinhäusern am Prospekt Statschek könnte ein Kirchlein sein: Ein klassizistischer Säulenportikus, um sechs Treppenstufen über den Gehweg erhaben, schwere, ornamentverzierte Holztüren und eine runde, glänzende Dachkuppel. Doch das Kreuz auf der Spitze fehlt - es hat auch nie eines gegeben. Es handelt sich um ein Ehrenmal für die Verteidiger Leningrads im Großen Vaterländischen Krieg - und gleichzeitig um den Eingang zur Metrostation Awtowo.



Einst war hier Endstation der ersten, 1955 in Betrieb genommenen U-Bahn-Linie der Stadt. Die andere Endstation "Ploschtschad Wosstanija" wurde - Zufall? - an jener Stelle errichtet, auf der früher die Snamenskaja-Kirche gestanden hatte.

Der Abstieg über die versetzt angeordneten Treppen zum Bahnsteig (es gibt keine Rolltreppen, diese Station liegt ausnahmsweise direkt unter der Erdoberfläche) gestaltet sich so feierlich, dass man glaubt, das Lenin-Mausoleum zu betreten. Die Gleise flankieren mit gläsernen Kacheln belegte Säulen. Das Licht ist dämmrig, nur noch ein Viertel der Lampen in den mächtigen Kronleuchtern brennt. Aber am anderen Ende des Bahnsteigs leuchtet rot-gold ein mächtiges Mosaikbild der "Mutter Heimat". "Miru mir - Frieden der Welt" und "Unsere Sache war gerecht - wir haben gesiegt", lauten die Inschriften.

Die Vereinnahmung heiliger Plätze und sakraler Stilzitate für die U-Bahn ist kein Zufall. Zur Stalinzeit projektierte Metrostationen waren für eine neue Religion geschaffene Kathedralen, allen Unvollkommenheiten des Oberirdischen entrückt. Der Philosoph Boris Groys erklärt die - 1935 eröffnete - Moskauer U-Bahn als die an einem U-Topos verwirklichte U-Topie einer kommunistischen Welt.

Mit dem Bau der ersten Leningrader Linie wurde 1941 begonnen, doch der Krieg erlaubte ihre Fertigstellung erst zwei Jahre nach Stalins Tod. Sowjet-Barock alten Stils findet sich deshalb nur in den Stationen Awtowo, Kirowski Sawod (einer mittelalterlichen Wappenhalle nachempfunden, doch Schilder und Helme repräsentieren Berg- und Maschinenbau, Öl- und Stahlindustrie), Narwskaja, Baltijskaja (mit einem eindrucksvoll detaillierten Marmormosaik, das Revolutionäre und die "Aurora" zeigt), Puschkinskaja (ein stilles, stilvolles Gewölbe mit einem Puschkin-Denkmal) und Ploschtschad Wosstanija.

Danach kehrte die Profanität in den Metro-Bau ein. Nur dem Marmor als Baumaterial blieb man treu. Die in beide Richtungen verlängerte Linie 1 hat trotzdem weitere Besonderheiten zu bieten: Die besonders tief gelegenen Stationen links und rechts der Newa, Tschernyschewskaja und Ploschtschad Lenina, verfügen über die längsten Rolltreppen der Welt: Fahrtzeit drei Minuten.
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Zwischen den Stationen Lesnaja und Ploschtschad Muschestwa verkehrten übrigens neun Jahre lang keine Züge, sondern Omnibusse: Hier ereignete sich im Dezember 1995, kurz nach dem 40. Jubiläum, der GAU der Metrobauer: Die 1974 mit gewaltigem Aufwand durch einen 500 Meter breiten Grundwasserfluss gelegten Tunnels hielten dem Wasserdruck nicht mehr stand. Der Bau eines neuen Tunnels durch den tückischen Untergrundsumpf ging trotz des sündteuren Einsatzes einer italienischen Spezial-Tunnelbohrmaschine nur zäh voran. Erst im Sommer 2004 konnte die Wiedervereinigung der „roten Linie“ gefeiert werden. (ld/rUFO)


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