Mittwoch, 09.02.2005
Bolschoitheater schließt im Juli für drei JahreVon Alexej Dubatow, Moskau. Der „Große Schuppen“, wie das Bolschoi-Theater im Insiderjargon pietätlos genannt wird, schließt am kommenden 2. Juli bis zum Januar 2008 wegen Renovierung. Ein Teil der Aufführungen wird im Herbst auf die neue Kleine Bühne verlegt. Große Ballette und Opern wie „Spartak“ und „Boris Godunow“ werden im Kreml-Kongresspalast aufgeführt.
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Nicht jeder weiß, dass eine geheime Weisung Mitgliedern des sowjetischen Politbüros vom Besuch des Bolschoi wegen drohender Einsturzgefahr abriet. Nur der leidenschaftliche Ballettfan Michail Gorbatschow ignorierte die Warnung. Seit 150 Jahren ist das Gebäude nicht generalüberholt worden.
Der Umbau war längst fällig. Schon 1987 hatte es einen „Beschluß von Partei und Regierung“ gegeben, das Gebäude von Grund auf zu rekonstruieren. Stattdessen wurde aber nur der bröckelnde Putz an den Säulen erneuert. Der nächste Termin für den Bauabschluß war 1997. Dann sollte die Renovierung 2003 beginnen, und es wurde wieder nichts.
Fundamente nicht mehr zu retten
Mit halbherzigen Maßnahmen lässt sich nichts mehr ausrichten. In den 60er Jahren wurde das Grundwasser durch eine unterirdische Betonwand vom Kleinen Theater mit dem Denkmal des Dramatikers Alexander Ostrowski davor abgeleitet direkt unter die Säulenpforte des Bolschoi. Danach wurden alte Natursteinfundamente, die sich ohnehin grundsätzlich nicht berechnen lassen, vollends unbrauchbar.
Die Bühnenmechanik ist museumsreif. Sie wurde um 1900 von Siemens eingebaut. Klangkörper unterhalb der Decke und unter dem Orchester, wurden in den 30er Jahren vorigen Jahrhunderts durch eine Betonplatte verstärkt, was die Akustik beeinträchtigte. Von permanenter Brandgefahr und ähnlichen Dingen ganz zu schweigen.
Bolschoi soll innen größer werden und außen schön bleiben
Die Fläche des Theaters solle durch neue unterirdische Etagen vergrößert werden, sagte der Generaldirektor Anatoli Ixanow der „Komsomolskaja Prawda“. Äußerlich soll das klassizistische Gebäude unverändert bleiben. Innen soll das jetzige 1:1 Verhältnis zwischen dem Zuschauerraum und der Bühne modernen Anforderungen entsprechend in 1:4 umgewandelt werden. Die Imbissräume werden größer. Neue Fahrstühle werden eingebaut. Die Bühnenbilder sollen künftig geräuschlos während der Vorstellung gewechselt werden.
Bisher wurden 350 Millionen USD für Vorbereitungsarbeiten ausgegeben. Was das Gesamtprojekt kosten wird, wagt momentan niemand einzuschätzen.
Probleme hinter den Kulissen
Der Umbau wurde nicht nur wegen technischer und finanzieller Probleme immer weiter verzögert. Das Bolschoi war schon zur Zarenzeit ein Ort byzantinischer Intrigen gewesen. Das erwähnte unter anderem der große Sänger Fjodor Schaljapin. In postsowjetischer Zeit nahmen diese Intrigen aber nie gekannte Formen an.
1995 vertrieb der Ex-Präsident Boris Jelzin den langjährigen Ballettchef Juri Grigorowitsch. Es war ein reines Politikum. Grigorowitsch war ein Günstling von Jelzins Intimfeind Gorbatschow gewesen. Sein Nachfolger wurde der Tänzer Wladimir Wassiljew, der 1991 die Demokratie auf den Barrikaden des russischen Weißen Hauses verteidigt hatte. Leider erwies er sich als miserabler Choreograph. Künstlerstreiks und Aussperrungen folgten.
Im Herbst 2000 leitete Wladimir Putin eine „Gegenrevolution“ ein. Der künstlerische Leiter Wassiljew und der exekutive Direktor Wladimir Kokonin mussten gehen. Das Bolschoi verlor seine Autonomie. Der neue Generaldirektor Anatoli Ixanow und der künstlerische Direktor, Dirigent Gennadi Roschdestwenski, wurden dem Kulturministerium unterstellt.
Vor dem Hintergrund dieser Bühnenbeben wollte man den Umbau nicht riskieren. Sonst wäre von der Ballett- und der Operntruppe womöglich auch nur ein Trümmerhaufen geblieben. Jetzt scheint es endlich so weit zu sein.
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