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Probefahrt für Moskaus Einschienenbahn (Foto: Knelz/.rufo) |
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Dienstag, 16.11.2004
Monorailbahn in Moskau: Nahverkehr der Zukunft?Moskau. Angefangen hatte die Diskussion um das technische Wunderwerk 1998. Damals wollte die Hauptstadt Russlands der „Expo 2010“-Veranstaltungsort werden und die Monorail-Bahn als Zukunftvision eines modernen öffentlichen Verkehrsmittels vorstellen. Ab dem 20. November können Touristen mit der Moskauer Monorail-Bahn auf Besichtigungstour gehen. Alexej Knelz hat das neue Spielzeug der Stadtregierung getestet.
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Den Wettbewerb um die Expo hat Moskau dann gegen Schanghai verloren, als der Bau der Linie bereits auf vollen Touren lief. Die Stadtduma beschloss darauf hin, das Projekt einzustellen, denn das verkehrssichere Novum wurde zu einem finanziellen Risiko. Inoffiziell soll der Bau insgesamt an die vier Milliarden Rubel verschlungen haben (rund 110 Millionen Euro). Angesichts dieser Ausgaben platzte auch der Traum vom günstigen Fahrpreis: Eine Fahrt mit der Einschienenbahn kostet 50 Rubel das fünffache einer U-Bahn-Fahrt.
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Technische Probleme verzögern Jungfernfahrt
Vier Milliarden hin oder her (der Bau einer neuen U-Bahn-Station soll laut „Iswestia“ kaum billiger sein). Die Hochgleis-Bahn untersteht der Metro-Führung, die bereits an einen Preisnachlass denkt: „Wenn die Kapazität nicht erreicht wird, senken wir den Fahrpreis“, verspricht Dmitri Gajew, Moskaus U-Bahn-Chef. Bei voller Auslastung sollen 7.500 Fahrgäste die Stunde in einer Fahrtrichtung befördert werden. Der Normalbetrieb beginnt jedoch frühestens im Januar 2005: So lange dauert es noch, bis sämtliche Arbeiten am Hochgleis-Wunderwerk vollbracht sind.
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Die Monorail-Station Timirjasewskaja (Foto: Knelz/.rufo) |
Eigentlich hätte die Bahn schon vor zwei Jahren fahren sollen. Doch technische Probleme wie das Abrutschen des Zuges bei Regen führten dazu, dass die Eröffnung mehrmals aufgeschoben wurde. Doch jetzt war es soweit: Metro-Mitarbeiter mit ihren Familien sowie Reporter dürfen bereits eine Runde im Tiefflug über Moskau drehen.
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Die Fahrt beginnt bei der „Timirjasewskaja“-Monorail-Station. Ein Leichtes ist es jedoch nicht, die Haltestelle zu finden. In der gleichnamigen U-Bahn-Station gibt es kein einziges Hinweisschild. Also müssen Polizeibeamte als Wegweiser herhalten.
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Kein Pfeifen, kein Rumoren
Der Bahnhof in sechs Metern Höhe ist leer, lediglich Schaffnerinnen warten, um die nicht vorhandenen Fahrgäste vom Bahnsteigrand zu scheuchen. Als erstes Verkehrsmittel Moskaus ist die Einschienenbahn behindertengerecht ausgestattet: An den Haltestellen gibt es Aufzüge, im Wagen haben Rollstuhlfahrer einen Sonderplatz.
Beim Einrollen des Zugs vermisst man die metroüblichen Anzeichen: kein Rumoren im Tunnel, kein Pfeifen der Gleise, kein tosendes Donnern. Der schmale Zug kommt gemächlich und lautlos angerollt. Sanft öffnen sich die Türen, die ersten Fahrgäste verlassen den Zug, um auf der anderen Seite des Bahnsteigs wieder einzusteigen, während die Zugraupe eine Ehrenrunde um die Station fährt.
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Unterwegs durch Moskaus Vorstädte (Foto: Knelz/.rufo) |
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Der Wagen beeindruckt mit spärlichem Platzangebot: lediglich acht Sitzplätze gibt es, 36 Personen sollen hier aber Platz finden. Bereits bei sieben stehenden Fahrgästen wird kommt Platzangst auf. Wenn die restlichen 29 hier zusteigen würden, ginge es zu wie in der Metro kurz nach Feierabend oder wie bei den sprichwörtlichen Sardinen in der Blechbüchse.
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Sanft angefahren, beginnt die Reise durch den mittleren Norden Moskaus mit einer Geschwindigkeit, die weit unter den versprochenen 60 Studenkilometern liegt. Momentan fährt die Bahn noch im Besichtigungs-Modus für Touristen 25 Stundenkilometer. Viel zu sehen gibt es entlang des Hochgleises allerdings nicht. Die ultramoderne Hochtram gleitet langsam über Straßenkreuzungen und Garagenviertel, Tankstellen und Busparks. Der spektakulärste Blick ist der auf den Ostankino-Fernsehturm.
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Die Fenster des Monorail-Waggons sollen nicht angefasst werden (Foto: Knelz/.rufo) |
Vom Fernsehturm zum „Traum des Impotenten“
Am Turm und dem Fernsehzentrum „Ostankino“ vorbei, gleitet der Zug Richtung Hotel „Kosmos“. Die Fahrgäste drücken sich ans Fenster, um das Hotel und das nahe gelegene Denkmal einer ins All startenden Rakete (im Volksmund „Traum des Impotenten“ genannt) zu bestaunen, als würden sie es zum ersten Mal im Leben sehen.
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Die Fahrt verläuft ruhig. Im Wagen ist es leise, kein Vergleich zum Jericho-Krach der herkömmlichen Metro-Waggons. Lediglich die Lüftung brummt vor sich hin. Die das übliche Getöse gewöhnten Fahrgäste senken gar ihre anfangs auf Maximum eingestellten Stimmen.
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Ein ganz besonderes Feeling
An der Endstation „Uliza Sergeja Eisensteina“ am Gelände der ehemaligen sowjetischen Volkswirtschaftsausstellung steigt eine junge Frau ein. Sie interessiert sich, wieso ich Fotos schieße und permanent Notizen mache. Also stelle ich mich vor und frage nach ihrem Beruf. Swetlana Edich ist ihr Name. Sie arbeitet im Metro-Park „Sokol“.
Eigentlich wollte sie sich nach einer Arbeitsstelle bei einer der Monorail-Stationen erkundigen: „Und wenn die Bahn schon fährt, warum sollte ich mir das entgehen lassen?“, lacht Swetlana. Ihrer Meinung nach biete der Wagen kaum größer, als ein ICE- Zugabteil zu wenig Platz: „Man kann sich hier ja kaum festhalten“, stellt die Metro-Mitarbeiterin ernüchternd fest. Aber ansonsten gefalle ihr das neue Verkehrsmittel ganz gut: „Es ist bequem, komfortabel und schön anzuschauen“, lobt sie die Monorail.
Überirdisch dauert die Fahrt von der „Timirjasewskaja“ bis zur „Uliza Sergeja Eisensteina“ aber fast 30 Minuten. Dieselbe Strecke könne man „in etwa 22 Minuten“ mit der U-Bahn zurücklegen, so Swetlana. Inklusive zweimal umsteigen und Rolltreppen fahren. Swetlana Edich ist sich aber trotz Manko Zeit und Geld sicher: „Mit der U-Bahn geht es zwar schneller und billiger, aber das Feeling ist ein anderes“.
Wahrscheinlich haben die Bahnväter genau das im Visier: das Feeling. Wie ließe sich der Aufwand sonst begründen? Sich ans Gleis schmiegend, legt der Zug wieder am Bahnsteig der „Timirjasewskaja“ an.
Ich verabschiede mich von Swetlana und will rausgehen, als ein Schlosser, der die Rolltreppe inspiziert, mir zuruft: „Wie war’s denn?“ Ich lobe schnell die Bahn und kritisiere die Fahrpreise. Der Genosse überhört die Skepsis: „Die Monorail-Bahn wird mit Sicherheit ein Erfolg, Tausende werden mit ihr fahren. Die Kosten holen sie locker ein“, lacht er. „Und weißt du, wieso?“ Ich frage brav nach dem Grund, und er sagt stolz: „Es ist die einzige Monorail-Bahn in Russland.“
(ali/.rufo)
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Der Winter ist eingezogen. Für ein paar Monate können sich die Russen in den Moskauer Parks an zahlreichen Eisskulpturen erfreuen. (Topfoto: Ballin)
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