Dienstag, 01.03.2005
Illegale Datschen: Abriss-Drama am Istra-StauseeVon Alexej Dubatow, Moskau. Dass der Chef der russischen Umweltbehörde Oleg Mitwol für Mittwoch eine Pressekonferenz einberufen hat, ist eigentlich überflüssig. Ganz Moskau verfolgt ohnehin schon seinen ungleichen Kampf gegen Datschenbesitzer am Istra-Stausee. Der Minister kam am Montag mit einem Gerichtsbeschluss, Planierraupen und Polizei, um illegal errichtete Häuser abzureißen, konnte aber gegen die „Istra-Hexen“ nichts ausrichten.
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Der Gerichtsbeschluss schrieb den Abriss von im Dorf Pjatniza unerlaubt errichteten Datschen vor. Frauen stellten sich den schweren Baumaschinen in den Weg, die Fahrer verweigerten dem Moskauer Behörden-Chef bereitwillig den Gehorsam. 30 Polizisten, die für die Vollstreckung des Gerichtsbeschlusses sorgen sollten, standen rauchend abseits. Es handelte sich um örtliche Polizisten, die unter den Protestierenden Beamte des Landkreises Solnetschnogorsk erkannten. Die standen ihnen offenbar näher, als Oleg Mitwol mit seinem Gerichtsbeschluss.
Mitwol will die Datschen bis Mitte März abreißen
Die Aktion ging wie das Hornberger Schießen aus, obwohl Mitwol 100prozentig im Recht war. Nach Gesetz darf an einem Gewässer in einer Entfernung von 55 Metern vom Ufer nichts gebaut werden. Der Istra-Stausee versorgt zudem halb Moskau mit Trinkwasser.
Das Umweltbewusstsein der Moskowiter liegt allerdings bestenfalls knapp über der Nullmarke. „Dort zu bauen ist dasselbe, wie mit einem gestohlenen Auto fahren“, klagte Mitwol. Das war kein gelungenes Beispiel, weil beides oft genug vorkommt. Gleichwohl ist der Minister überzeugt: In der ersten Märzhälfte kommen die Häuser weg.
Sabotage auf lokaler Ebene
Datschenbesitzer konnten indes alle Papiere bis auf eines vorlegen: die ökologische Expertise. Als sie 1991 ihre Häuser gebaut hatten, habe sie auch niemand danach gefragt. Sie sei erst 1995 zur Pflicht erhoben worden, argumentieren sie. Ob sich der Minister durchsetzt, erscheint aber nicht deshalb fragwürdig. Jemand muss die nach Adam Riese und menschlichem Ermessen - völlig illegalen restlichen Papiere ja ausgestellt haben. Dieser jemand sitzt immer noch in den Lokalbehörden und hat kein Interesse, dass die Besitzer abgerissener Datschen mit jenen Papieren vor den Kadi gehen. Sie hatten ja wahrscheinlich richtig viel Geld dafür bezahlt.
Sauna der Popdiva
Eine Posse war dem neuesten Drama mit den „Istra-Hexen“ vorausgegangen. Als erstes war Mitwol der ungekrönten Pop-Königin Russlands Alla Pugatschowa vor die Bude gerückt. Bei der Bude handelte es sich nach ihren Worten um eine Gartenlaube. Laut Mitwol war es eine russische Sauna, aus der man nach der Landessitte direkt in den Stausee springen konnte. Die Popdiva erklärte, sie werde so viel Erdreich dort hinein kippen, bis der geforderte Abstand von 55 Metern entstehe. Dann sagte sie freilich, das sei nur ein Scherz gewesen. Sie werde die Sauna abreißen lassen, so Pugatschowa, obwohl das Volk nichts dagegen habe. Fans der Sängerin wären vermutlich nicht nur bereit, die Diva abzulecken, sondern auch ihr Badewasser zu trinken.
Sabotage auf höchster Ebene
Es soll im Großraum Moskau mindestens 2 000 Bauten in gefährlicher Wassernähe geben. Zählen wollte, konnte und durfte sie bisher keiner. Einer von Mitwols Vorgängern, der spätere Sozialminister Alexander Potschinok, hatte eigenwillig versucht, illegal erbaute Datschen im Prominentenviertel an der Rubljowskoje Chaussee, wo schon Zar Nikolaus II., Stalin und andere VIP-Personen ihre Sommerresidenzen hatten, vom Hubschrauber aus zu zählen, und wurde in ein anderes Amt versetzt. So hielt es Mitwol für klüger, sich mit dem Istra-See zu begnügen, wo kleinere Fische schwimmen, leben und illegal bauen. (adu/.rufo)
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