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Schicht im Schacht? Derzeit herrscht Kurzarbeit im Twerer Waggonwerk (Foto: Ballin/.rufo)
Schicht im Schacht? Derzeit herrscht Kurzarbeit im Twerer Waggonwerk (Foto: Ballin/.rufo)
Donnerstag, 16.04.2009

Wladimir Putin als Weihnachtsmann im Waggonbauwerk

André Ballin, Twer. Der April ist ein launischer Monat - vor allem für Sergej Saizew. Eben noch drohten ihm Kurzarbeit und Arbeitslosigkeit. Nun gibt es einen Lichtblick in der düsteren Zukunft – dank Putin.

Sergej Saizew ist ein wichtiger Mann. Seine Untergebenen, immerhin rund 1.200 Mann, nennen ihn respektvoll Sergej Wladimirowitsch. Doch an diesem Tag ist keiner seiner Untergebenen da. Es ist Donnerstag und die Fabrikhalle in Twer steht.

Waggonbauwerk Twer – wichtigster Arbeitgeber der Stadt


Gewöhnlich werden in dieser Fabrikhalle Eisenbahnwaggons mit Betten, Tischen und Türen ausgestattet und anschließend bemalt. In der Nachbarhalle werden zuvor die schweren Rahmen der Waggons zusammengesetzt; doch auch die Nachbarhalle steht; denn es ist Donnerstag.

Insgesamt 11.000 Angestellte hat das Waggonbauwerk Twer. In Russland ist die Fabrik Branchenführer und in Twer der wohl wichtigste Betrieb der Stadt. Auf dem Hof stehen neue Waggons, darunter sogar eine richtige Innovation. Ein zweistöckiger Schlafwagen; 5,30 Meter hoch; von Eisenbahn-Präsident Wladimir Jakunin bei seinem Besuch in Twer Anfang April als „hervorragendes“ Beispiel russischer Fahrzeugbaukunst gelobt.

An zwei Tagen in der Woche allein in seiner Werkhalle: Manager Sergej Saizew (Foto: Ballin/.rufo)
An zwei Tagen in der Woche allein in seiner Werkhalle: Manager Sergej Saizew (Foto: Ballin/.rufo)

Eisenbahn kürzt Bestellungen


„Eine Bestellung für den Waggon gibt es noch nicht“, berichtet Sergej allerdings. Überhaupt sieht es mit den Bestellungen der Eisenbahn in diesem Jahr trübe aus. Hatte die RZD im vergangenen Jahr noch 976 Schlafwagen abgenommen, so wurden die Aufträge in diesem Jahr fast um die Hälfte gestrichen, bestellt wurden genau 549 Waggons.

So erklärt sich auch, warum Sergej an einem Donnerstag fast allein in seiner Fabrikhalle ist: Kurzarbeit, die ganze Belegschaft arbeitet nur von Montag bis Mittwoch. Lediglich ein alter Malergeselle geistert noch in der Halle umher. Er macht das Licht hinter Sergej aus.

Produktion schrumpft auf ein Drittel, Gehälter schrumpfen mit


Die Kapazität des Betriebs liegt bei 100 Waggons pro Monat. Ein Waggon kostet immerhin 30 Millionen Rubel (670.000 Euro). Die Belegschaft hat früher für russische Verhältnisse gut verdient, rund 30.000 Rubel (670 Euro) im Monat. Doch nicht im April.

Nicht gefragter Hoffnungsträger: In Twer entwickelt man diesen Doppelstock-Schlafwagen (Foto: Ballin/.rufo)
Nicht gefragter Hoffnungsträger: In Twer entwickelt man diesen Doppelstock-Schlafwagen (Foto: Ballin/.rufo)
„Im April werden wir nur 37 Waggons produzieren“, berichtet Sergej. Theoretisch könne dies auch an zwei Arbeitstagen pro Woche geleistet werden, doch die Werksleitung fürchtet, dass dies die Arbeitsmoral senkt und die Trinkfreude hebt. „Wenn man am Montag zur Arbeit kommt und weiß, morgen ist praktisch schon Freitag, fällt es schwer, sich zu motivieren“, erklärt Sergej. So wird drei Tage gearbeitet und für drei Tage bezahlt.

Entlassungen und unbezahlter Urlaub


Erste Entlassungen hat es schon gegeben, zehn Prozent der Belegschaft wurden gekürzt. Im Sommer könnte es noch schlimmer kommen. Zwei Monate Sommerferien sind für alle eingeplant – unbezahlt. Damit wäre die Fabrik in Twer kein Einzelfall, viele Betriebe in Russland arbeiten so.

Sergej leidet mit seinem Werk. Seit 1990 ist er im Betrieb. Als junger Meister hat er begonnen und sich langsam hochgearbeitet. Seit drei Jahren ist er Fabrikhallenleiter, seine Frau arbeitet ebenfalls im Betrieb. In diesem Jahr wird Sergej 40 Jahre alt. Das Jubiläum hat er sich anders vorgestellt.

Putin als Weihnachtsmann


Doch nun gibt es einen Lichtblick: Premier Wladimir Putin ist gekommen und nicht mit leeren Händen. Bereits in den vergangenen Wochen reiste der Regierungschef durchs Land und durch die Betriebe. Wo er hinkam, gab es bange Fragen und oft zeigte sich Putin spendabel.

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Wie ein Weihnachtsmann verteilte er Geschenke. Zuletzt bekam der Lada-Hersteller Avtovaz einen Milliardenkredit und ein Stadtautobahn-Projekt in St. Petersburg eine üppige Finanzierungszusage. Nun lächelt das Glück dem Waggonbauwerk Twer zu. Drei Milliarden Rubel (67 Mio. Euro) sagte der Premier dem Werk praktisch an direkten Regierungshilfen zu. Das Geld soll an die RZD gehen, die damit gleichzeitig den Auftrag bekommt, Waggons zu kaufen in Twer.

Wie lange reichen die Vorräte?


Damit könnten die langen Sommerferien für Sergej entfallen, vorausgesetzt es klappt alles unbürokratisch und schnell, was in Russland selbst bei Anweisungen Putins durchaus nicht alltäglich ist.

Eine Frage aber bleibt offen: Wie lange reicht der Vorrat an Geschenken im Sack von Weihnachtsmann Putin? Alle Betriebe kann der Staat nicht retten. Schon jetzt wird die Zahl der Arbeitslosen bereits auf 6,4 Millionen geschätzt.



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