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Die meisten Russen vermissen ehrliche und freie Wahlen. Foto: TV
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Dienstag, 15.01.2008

Umfrage: Russen für Demokratie – mit Vorbehalt

Moskau. Eine Umfrage von Gallup International ergibt: Die meisten Russen halten die demokratische Staatsform für die beste, trauen der eigenen Demokratie aber nur bedingt über den Weg. Das ist durchaus zu erklären.

Die Umfrage ist Teil einer Befragung in mehr als 50 Ländern, die Gallup zwei Mal pro Jahr durchführt. In Russland wurde die Meinung des Volkes zwischen dem 15. und 21. Juni 2007 vom soziologischen Institut „Romir“ eingeholt.

64 Prozent der Befragten sehen in der Demokratie das beste politische System. Dabei sind 71 Prozent der Menschen unter 30 dieser Meinung, während in der Alterskategorie „über 65“ nur 50 Prozent zustimmen. Zum Vergleich: Weltweit stimmen im Schnitt 79 Prozent der Menschen für die demokratische Staatsform.

Erinnerungen an die Katastrophe der Neunziger

Igor Berjosin von „Romir“ bezeichnet die Ergebnisse als „gesetzmäßig“. In Russland seien zwei Drittel der Bevölkerung Anhänger der Demokratie, in der Welt sind es drei Viertel – ein nicht allzu großer Abstand.

Berjosin: „Russland hat sehr viel weniger Erfahrung mit einem Leben unter der Demokratie. Wenn man mit Gorbatschow beginnt, sind es gerade mal etwas mehr als 20 Jahre. Zum Vergleich: In den USA sind es 200, in Deutschland 60.“

Weitaus wichtiger ist aber ein weiterer Faktor: Im Bewusstsein der meisten Russen verknüpft sich der Begriff „Demokratie“ mit der Katastrophe der 1990er Jahre, als gerade unter diesem Aushängeschild radikale Änderungen im sozialen und Wirtschaftsleben des Landes vorgenommen wurden, die viele Menschen an den Rand des sozialen Absturzes brachten.

Mit „Demokratie“ verbindet sich im Bewusstsein der Mehrheit der Versuch der Machthaber jener Zeit, ein System aufzustülpen, das ihnen unbekannt war und mit derart einschneidenden, als existenzbedrohlich empfundenen Entwicklungen einher schritt.

Theorie und Praxis klaffen weit auseinander

Bei Russland-Aktuell
• Neujahrsumfragen: Putin führt russische Elite an (28.12.2007)
• Deutsches Russland-Bild: Im Prinzip positiv, aber … (17.12.2007)
• Dossier: Russen entscheiden bei Duma-Wahlen über Zukunft (30.11.2007)
Dementsprechend kritisch betrachten die Russen die Umsetzung demokratischer Grundsätze heute. Zufrieden mit der politischen Praxis sind lediglich 57 Prozent der Befragten, und 80 Prozent zweifeln daran, dass das Land nach dem Willen des Volkes regiert wird.

Weltweit sind 69 Prozent der Bevölkerung zufrieden mit ihrer landeseigenen Demokratie. In den Ex-Sowjetrepubliken sind es 56 Prozent, ähnlich wie in Russland. In der GUS sehen 70 Prozent den Willen des Volkes nicht umgesetzt, weltweit sind es 63 Prozent.

Wahlen in Russland sind nicht ehrlich und frei

Am schlechtesten ist Volkes Meinung über den Charakter der im Lande durchgeführten Wahlen. Nur 26 Prozent der Befragten glauben, dass es in Russland freie und ehrliche Wahlen gibt. Hier ist die Diskrepanz zur restlichen Welt offensichtlich: 47 Prozent halten die Wahlen in ihrem Land für so, wie sie sein müssen unter einem demokratischen Aushängeschild.

Laut „Romir“ haben sich in Russland in den letzten zwei Jahren bei der turnusmäßigen Befragung nur wenige Änderungen gezeigt. Und doch ist eine Tendenz auszumachen: Die Zahl der Anhänger der Demokratie wächst stetig, dabei nimmt jedoch der Anteil derer nicht ab, die keine freien Wahlen in ihrem Land ausmachen können.

Dmitri Badowski, Direktor des Instituts sozialer Systeme, hat dafür eine durchaus einleuchtende Erklärung: „Russland hat keine politische Kultur, die die Demokratie idealisiert, wie das im Westen der Fall ist. Und auch mit der demokratischen Entwicklung ist bei uns nicht alles in Ordnung. Viele Befragte sehen in der Demokratie die beste Regierungsform, aber dabei haben sie nicht die russische Demokratie vor Augen, sondern die Demokratie an sich.“

(sb/.rufo/St. Petersburg)


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