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Eisenssteins Revolutions-Klassiker in der rekonstruierten Fassung mit Live-Orchester. Das hätte bestimmt auch Lenin gefallen. (Foto: ARTE)
Eisenssteins Revolutions-Klassiker in der rekonstruierten Fassung mit Live-Orchester. Das hätte bestimmt auch Lenin gefallen. (Foto: ARTE)
Mittwoch, 15.02.2012

TV-Tipp: Eisensteins „Oktober“ mit Live-Orchester

Straßburg. Großes Kino steht ins Haus – Sergej Eisensteins cineastischer Revolutionsklassiker „Oktober“ wurde gründlich für die „Berlinale“ restauriert. Ein Meisterwerk mit Orchesterbegleitung, und für Sie nun auch im TV.

Das renommierte Berliner Filmfestival „Berlinale“ hat sich dieses Jahr ganz dem guten alten Stummfilm zugewandt. „Oktober“, das Meisterwerk des russischen Regisseurs Sergej Eisenstein, das Revolutions-Epos schlechthin, hat eine gründliche Putzaktion über sich ergehen lassen müssen.

Wann und wo:
ARTE

15.02.2012, 23.05 Uhr
Das Filmmuseum München hat sich dem Meisterwerk angenommen und eine vollständig restaurierte Fassung des Films präsentiert. Anlass genug für die Macher der Berlinale, dieses Werk auch noch exklusiv zu vertonen. Diese Aufgabe wurde dem Rundfunk-Sinfonieorchester Berlin zuteil.

Zehn Tage Leinwand-Revolution für die Partei


Mit etwas Verspätung erfüllte Regisseur Eisenstein seinen Auftrag zum 10. Jahrestag der Oktoberrevolution. Erst am 14. März 1928 konnte der Film im Moskauer Bolschoi-Theater der Öffentlichkeit präsentiert werden. Bereits am 2. April desselben Jahres wurde er im Tauentzienpalast dem Berliner Publikum vorgeführt.

Überhaupt gab es Zeiten, in denen begehrt die großartigen Filmemacher vor den Karren der Politik gespannt wurden. Ein Pendant, wenngleich auch eine Generation später am Set, bildet die deutsche Regisseurin Leni Riefenstahl, die ihres Führers Reichsparteitage und andere Großereignisse, wie z.B. die Olympiade 1936, cineastisch in Szene setzte.

Opulente Aufnahmen, dazu ein filmischer Dialekt, der Menschenmengen von alleine in Bann zieht, und ein ebenso gewaltiges Szenario, das hierbei erst zu völliger Größe empor steigt. Das verstand auch Sergej Eisenstein meisterhaft. Die Statisten hat er sich einfach von der Strasse geholt, Hauptsache es spielten Massen mit.

Die Revolution erfordert höchste Aufmerksamkeit – auch von den Statisten, die auf der größten Außenstelle des Leningrader Arbeitsamtes von der Straße gesammelt wurden. (Foto: ARTE)
Die Revolution erfordert höchste Aufmerksamkeit – auch von den Statisten, die auf der größten Außenstelle des Leningrader Arbeitsamtes von der Straße gesammelt wurden. (Foto: ARTE)

Epische Filmszenen und raumgreifende Musik


Überhaupt ist die Musik des Films der zweite Schlüssel zum Erfolg. Edmund Meisel, der bereits die Filmmusik für „Panzerkreuzer Potjomkin“ geschrieben hatte, hinterlegte nicht etwa lediglich die gedrehten Szenen, sondern gab ihnen erst die wuchtige Fülle, die den Zuschauer unweigerlich in seinen Bann zieht.

Sergej Eisenstein, der 1998 in Riga geborene Sohn des St. Petersburger Stararchitekten Michail Eisenstein, verstand es meisterlich, seine schnellen Bildmontagen mit tiefgründigen Metaphern zu entschleunigen, ohne die Kraft aus seinen turbulenten Bildabfolgen zu nehmen.

Mit „Oktober“ gelang ihm letztlich eine Produktion der Superlative. Bildgewaltige Symbole von Macht und Masse auf höchstem künstlerischen Niveau mit Bildschnitten, ähnlich wie bei einem modernen Videoclip. Und tatsächlich ist es ein Rausch der Eindrücke, die auf den Betrachter gnadenlos einprasseln.

Von Bolschewiken und Menschewiken


Dem Inhalt des Films wird der deutsche Titel „Zehn Tage, die die Welt erschütterten“ am ehesten gerecht. Beraten von Zeitzeugen und inszeniert an Originalschauplätzen in Leningrad, schuf Eisenstein ein Kaleidoskop der Machtergreifung der Bolschewiken und des endgültigen Untergangs des Zarenreiches.

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Gut 50.000 Statisten geben Eisensteins persönlicher Revolution die notwendige Fülle und Eigendynamik. Die sowjetische Flotte stellte ihren Panzerkreuzer „Aurora“ zur Verfügung und über 10.000 Rotarmisten wurden für die Kampfszenen beim Sturm auf den Winterpalast vom Filmteam rekrutiert.

Allerdings gingen bei der erneuten Erstürmung vermutlich mehr Fensterscheiben und Türen zu Bruch als bei den tatsächlichen Ereignissen im Oktober 1917, so heißt es. Alles in allem bekam der Regisseur eine halbe Million Rubel als Etat für sein Renommier-Werk bewilligt.

Großes Kino mit durchdachtem Aufwand


Eisenstein perfektioniert sich bei den Dreharbeiten zu seinem „Oktober“ geradezu selbst. So ließ er den gesamten Strom im Leningrader Stadtgebiet abschalten, um den nächtlichen Sturm auf den Winterpalast filmen zu können. Historische Ereignisse werden vom Meister hinter der Kamera voller Pathos inszeniert.

Gedreht wurde an Originalschauplätzen. Auch dem Winterpalast, der heutigen Eremitage, gingen die Dreharbeiten an die Knochen. (Foto: ARTE)
Gedreht wurde an Originalschauplätzen. Auch dem Winterpalast, der heutigen Eremitage, gingen die Dreharbeiten an die Knochen. (Foto: ARTE)
Zum Beispiel wenn er zur schwammigen Politik der Übergangsregierung eine Sequenz rückwärts laufen lässt und sich ein zerstörtes Zarendenkmal wieder zusammen setzt und die Revolution im Augenblick des Sieges pathetisch zum Symbol aufschwingt.

Uhren mit den verschiedenen Ortszeiten kreiseln immer schneller um die Petrograder Zeit, und die Bolschewiken besetzen den Winterpalast. Das Licht der Straßenlaternen wird entzündet - "Kommunismus", so lehrte Lenin, "das ist Sowjet-Macht plus Elektrifizierung."

Zensur, Verbannung und Rehabilitation


Trotz aller Parteilichkeit fiel der Film bei den Sowjets in Ungnade. Er wurde zensiert und alsbald wieder aus den Kinos verbannt. Eisenstein hatte Trotzki als Revolutions-Agitator in Szene gesetzt, der jedoch wurde bereits 1926 aus dem Politbüro ausgestoßen. Josef Stalin kam gar nicht erst vor.

Erst 1958, zehn Jahre nach dem Tod Eisensteins, wurde „Oktober“ von der damaligen sowjetischen Kulturministerin Jekaterina Furzewa öffentlich rehabilitiert. Diese nun vorliegende Fassung ist bislang die Längste, obwohl immer noch etwa 40 Minuten der Originalnegative fehlen.

Wett gemacht wird dies durch die glänzende Leistung des Orchesters unter der Leitung des bewährten Filmmusik-Dirigenten Frank Strobel. Sicher steuert er den fesselnden und für Musiker problematischen Parforceritt durch den „lauten Stummfilm“. Am Ende steht ein unvergleichbar räumliches 3D-Gebilde, das über die Fläche der Leinwand hinauswächst.



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