Von André Ballin, Kiew/Dnepropetrowsk. Gewöhnlich werden zu Halloween die alten Geister ausgetrieben. Doch in der Ukraine blieb an diesem Sonntag erst einmal alles beim Alten. Im ersten Wahlgang fiel keine endgültige Entscheidung darüber, wer der neue Präsident der Ukraine wird. Wie erwartet, müssen die Hauptkandidaten Juschtschenko und Janukowitsch zum Finale in drei Wochen noch einmal antreten. Wahlbeobachter sprechen von gravierenden Unregelmäßigkeiten bei der ersten Abstimmung.
Janukowitsch hat nach den Ergebnissen der ersten Runde die besseren Chancen. Nachdem 90 Prozent der Stimmen ausgezählt wurden, liegt der Premier mit 40,1 Prozent knapp vor seinem Herausforderer Juschtschenko, der es auf 39,1 Prozent brachte. Zum Sieg waren 50 Prozent der abgegebenen Stimmen nötig.
Im zweiten Wahlgang hat Janukowitsch die besseren Chancen, da er wohl mehrheitlich auf die Wähler des Kommunisten Simonenko und des Sozialisten Moros hoffen kann.
Protestdemo endet friedlich
Juschtschenko muss darauf hoffen, dass es der Regierung nicht ein zweites Mal gelingt, so viele Bürger zu mobilisieren. Eine niedrigere Wahlbeteiligung gewährt ihm größere Chancen, haben Soziologen errechnet.
Internationale Wahlbeobachter kritisierten aber auch massive Unregelmäßigkeiten beim ersten Urnengang. So gingen in einigen Wahlbüros die Stimmzettel aus, in anderen waren wahlwillige Bürger erst gar nicht registriert worden. Die einen sprechen nun von bewusster Fälschung, während andere die Ereignisse einfach als Schlamperei vor Ort einordnen. Eine Protestdemo von Kiewer Bürgern endete am Abend friedlich.
Der Chef des Juschtschenko-Wahlstabs Alexander Sintschenko erklärte unter Berufung auf eigene Beobachter in den Wahllokalen bereits, für den Oppositionsführer hätten in Wahrheit knapp über 50 Prozent, für Janukowitsch dagegen nur etwa 30. Die ukrainische Führung plane eine Fälschung der Wahlergebnisse und spiele „mit dem Feuer“, warnte er.
Sollte sich jedoch herausstellen, dass es auch bei der Auszählung zu größeren Ungereimtheiten kam, könnte die Stimmung vor allem im stärker politisierten Westen des Landes schnell umschlagen. Dabei hatte Juschtschenko am Wahltag seinen Anhängern noch versprochen, auch ohne Revolution zu gewinnen.
Eine Revolution wäre freilich das wohl schlechteste Szenario für das Land, da es tiefe Risse in der Gesellschaft hervorrufen würde. Anders als während der Rosenrevolution von Michail Saakaschwili in Georgien haben die Anhänger Juschtschenkos nämlich keine überwältigende Mehrheit. Ein fairer, zweiter Wahlgang ist aber Grundbedingung für einen Konsens – egal ob unter Juschtschenko oder Janukowitsch.
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