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Russland - noch auf dem Weg zur Demokratie (2)
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Viele Wähler würden ihren Politikern gern diese Geste zeigen (Foto: Ballin/.rufo)
Viele Wähler würden ihren Politikern gern diese Geste zeigen (Foto: Ballin/.rufo)
Freitag, 07.10.2005

Protestkandidat vor dem Verfassungsgericht

Moskau. Wer in Russland unzufrieden mit der politischen Elite ist, kann bei der Wahl für den Kandidaten „Gegen alle“ stimmen. Doch Wahlwerbung für ihn ist verboten. Ein Fall für das Verfassungsgericht.


Der russische Menschenrechtsbeauftragte Wladimir Lukin sieht darin einen Verstoß gegen die Verfassung. Diese garantiert in Artikel 29 nicht nur die Meinungsfreiheit, sondern auch das Recht, „auf jede legale Weise frei Informationen zu suchen, weiter zu geben, zu erzeugen und zu verbreiten.“

Das würde auch Wahlwerbung für den Kandidaten „Gegen alle“ einschließen. Doch Wadim Botschkow, ein Arzt aus Kursk, musste 2003 eine Geldstrafe in Höhe von 1.000 Rubel (knapp 30 Euro) zahlen, weil er Flyer angefertigt und verteilt hatte, auf denen er dazu aufrief, bei der Duma-Wahl gegen alle Kandidaten zu stimmen. Lukin hält das für einen klaren Verfassungsverstoß und ging nun vor das Verfassungsgericht.

Wahlwerbung für “gegen alle“ diskreditiert Wahlen

Jelena Misulina, die Vertreterin der Duma beim Verfassungsgericht, hat dazu eine dezidiert andere Meinung: Wer dazu aufrufe, gegen alle Kandidaten zu stimmen, „diskreditiert damit Wahlen als demokratische Institution“, zitiert sie die Tageszeitung „Wremja Nowostjei“.

Bei Russland-Aktuell
• Wer ist der Kandidat Gegen alle? (05.11.2003)
Tatsächlich ist z.B. im deutschen Wahlsystem die Möglichkeit, gegen alle zu stimmen, überhaupt nicht vorgesehen. Unzufriedene Wähler können ihre Stimme lediglich ungültig machen oder erst gar nicht zur Wahl gehen. In Russland ist das keineswegs so. Die Ergebnisse dieses Kandidaten werden von den Stimmenzählern eifrig registriert.

Und regelmäßig belegt der Kandidat vordere Plätze bei den verschiedensten Abstimmungen Auswirkungen hat dies jedoch nur wenn „Gegen alle“ auf Platz Eins bei einer Wahl landet. Dann muss der Urnengang wiederholt werden. Alle anderen Kandidaten, die in der ersten Runde gescheitert sind, können allerdings nicht mehr teilnehmen.

Urteil des Verfassungsgerichtsgerichts in einigen Wochen erwartet

Dementsprechend misstrauisch beäugt die politische Elite den ominösen Kandidaten ohne Programm und eigene Ziele. Doch ist deshalb Wahlwerbung für ihn, d.h. gegen alle illegal? Das Verfassungsgericht wird darüber in den nächsten Wochen entscheiden. Experten rechnen allerdings nicht damit, dass es sich für die Rechte des Protestkandidaten einsetzt.

Möglicherweise verschwindet er sowieso schon bald ganz von den Wahllisten, spekuliert die „Wremja Nowostjei“. Dann werden die Russen ihren Protest gegen die Obrigkeit anders ausdrücken müssen, z.B., indem sie den Wahlsonntag nicht im Wahllokal, sondern auf ihrer Datscha verbringen.

(ab/.rufo)



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