Donnerstag, 19.05.2005
Elfjährige Moskauerin will Mutter werdenMoskau. Eine elfjährige Moskauerin wird Mutter. Der Vater ihres Kindes ist ein Gastarbeiter aus Astrachan. Er kann nicht wegen der Verführung einer Minderjährigen belangt werden, weil er selbst 14 ist.
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Die künftige Urgroßmutter Tonja fiel aus allen Wolken, als Walja sie verwundert fragte, wieso ihr Milch aus der Brust quelle. Es war am 4. März und für eine Abtreibung viel zu spät. Der Fötus wog schätzungsweise 1,3 Kilo. In diesem Schwangerschaftsstadium haben mitunter selbst erwachsene Frauen Probleme. Walja musste oft erbrechen und fiel in Ohnmacht. Als sie in die Klinik musste, wurde die Sache auch in ihrer Schule ruchbar.
Fernsehpornos dienten als Vorbild
Die einzige Lehrerin, die Verständnis für sie gehabt hätte, war weg. „Auch im Schwangerschaftsurlaub“, sagt Walja lächelnd. Die Schuldirektorin bestellte sie in ihr Arbeitszimmer zu einem Gespräch. Auf die Frage, „wie sie auf so etwas verfiel“, antwortete das Mädchen, das Fernsehen zeige lauter Pornos, da wollte sie es auch mal probieren. „Also grundverdorben“, lautete das Erwachsenenurteil.
Es fing an, als sie noch acht war
Nach Waljas Worten war es Liebe auf den ersten Blick. Als sie Pascha zum ersten Mal sah, habe sie ihn ohne Umschweife gefragt, ob er ihr Freund werden wolle. Seither seien sie zusammen. An sich wäre so etwas nichts Außergewöhnliches, auch die Tatsache nicht, dass in Moskau Kinder Kinder kriegen. Nur, das hatte sich schon vor drei Jahren zugetragen, als sie noch acht war.
Seit dem Klinikaufenthalt weiß Walja, dass es ein Junge wird. Paschas Vater und er sind Hilfsarbeiter im nahen Selbstbedienungsladen. Oma Tonja arbeitet dort als Verkäuferin. Sie hat eine kleine Zweizimmerwohnung in einem baufälligen fünfstöckigen Haus, im Volksmund „Chruschtschoba“ genannt, zusammengeschnipselt aus dem Namen Chruschtschow und Truschtschoba (Slum). Also Chruschtschow-Slum. Der Nachfolger Stalins hatte billige Plattenbauten hinsetzen lassen, um der akuten Wohnungsnot zu begegnen.
Moskauer Romeo und Julia gegen harte Realität
Jetzt wollen sie alle das Kind. Irgendwie werde man schon über die Runden kommen, sagt Oma Tonja. Pascha ist auf seine Rolle als Familienvater ganz stolz. Er werde Tag und Nacht arbeiten, „damit die beiden keine Not leiden müssen“. So etwas von verliebt gebe es gar nicht, schrieb die „Komsomolskaja Prawda“ am Donnerstag. Pascha und Walja erinnerten an zwei kuschelweiche Tiere. Doch fragt man sich, ob die neuen Romeo und Julia der harten Moskauer Realität standhalten werden.
Wenigstens ihre Wohnung müssen sie behalten
Seit der Vater ihre Mutter und diese ihre Tochter sitzen ließ, hat Walja nur die Oma Tonja. Diese ist der Hauptverdiener. Ob der feurige Kaukasier Pascha seinen Elan behält, steht im Raum. Die Ärmsten der Armen leben im Moskauer Randbezirk Kapotnja, wo eine uralte Ölraffinerie Luft, Wasser und Boden verpestet. Und das Schlimmste: Die Behörden wollen Tonja wegen immenser Mietschulden vor die Tür setzen, erzählen ihre Nachbarn. Ob die Presse etwas tun könne, damit die Kinder ihre baufällige Wohnung behalten, fragen sie.
(adu/.rufo)
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