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Dienstag, 09.02.2016

Merkels Dummheit, Putins Militärmanöver, Erdogans Ehrgeiz

Warum knickst Merkel vor Erdogan?
Was Merkel bei Erdogan gesagt hat, war wohl kein Fehler, sondern viel schlimmer: Eine Riesendummheit zu Gunsten Dritter. Russische Luftangriffe seien Schuld am Flüchtlingselend, sagte sie - und macht sich so mitschuldig an einer möglichen Eskalation des Syrienkrieges. Und stärkt Erdogan.
Weiss der Himmel, wer oder was Merkel dazu gebracht hat, so eindeutig für Erdogan Partei zu nehmen, der Armee, Polizei und Geheimdienst mit erschreckender Brutalität gegen die türkischen Kurden vorschickt; der seit Jahren in Syrien alle möglichen islamistischen Halsabschneider fördert, Hauptsache, er kommt seinem Traum vom zweiten osmanischen Reich näher; der bewusst die Schleusen für die Flüchtlinge öffnete, als es ihm genehm schien, um Europa zu erpressen.

Und Merkel redet ausgerechnet ihm nach dem Maul, um den eigenen Hals aus der selbstgemachten Schlinge der Flüchtlingskrise zu ziehen - hilft aber mit der eigenen Unfähigkeit nur, die Krise auf eine neue Stufe zu heben, die noch mehr menschliches Elend hervorrufen wird.

Belege dafür, dass russische Luftangriffe sich gegen die Zivilbevölkerung richten, aber nicht gegen islamistische Terrorgruppen, gibt es nicht. Auch Merkel hat sie nicht. Amnesty International sprach Ende Dezember von 200 durch russische Angriffe getöteten Zivilisten. Moskau hat der US-geführten Syrienkoalition mehrfach angeboten, die Ziele der Luftangriffe untereinander abzustimmen, bekam aber keine Antwort.

Tatsächlich liegen die Grosstadt Aleppo und viele andere syrische Städte in Trümmern. Aber das ist nicht die Folge russischer Luftangriffe seit September 2015, sondern das Ergebnis von fünf Jahren erbittertem Krieg zwischen der syrischen Armee und überwiegend islamistischen Aufständischen.

Bei der jetzigen Offensive der Assad-Armee, die am Wochenende schon bis auf 25 km an die türkische Grenze herangekommen ist und viele Nachschubwege für die Islamisten abgeschnitten hat, geht es überhaupt nicht darum, die Stadt Aleppo zu erobern (die sowieso etwa zur Hälfte von Regierungskräften kontrolliert wurde und wird). Die russischen Kampfjets fliegen dementsprechend auch keine Einsätze gegen die Stadt.

Nur wenn man sich um lästige Details nicht kümmert, dann scheint von weitem alles klar zu sein: Russland bombardiert, Assad-Armee marschiert vor, kesselt Aleppo ein, also sind Putin und Assad Schuld an einer neuen Flüchtlingswelle.

Die ebenso logische Konsequenz daraus wäre dann: um den Flüchtlingsstrom zu mindern, muss eine humanitäre Sicherheitszone im Norden Syriens eingerichtet werden, wie schon im vergangenen Jahr von Türkei und USA gefordert. Durchsetzbar wäre das nur mit einem massiven Militäreinsatz gegen die Assad-Armee und gegen die syrischen Kurden - was ja besonders Erdogan mit dem grössten Vergnügen auch tun würde, genauso, wie er jetzt schon seine Truppen brutal gegen die türkischen Kurden vorschickt.

Mit diese "Sicherheitszone" begänne die Zerstückelung Syriens und vielleicht auch des Iraks, bei der Erdogan sich einige fette Brocken erhofft.

Die ersten Schritte in Richtung "humanitärer Sicherheitszone" werden nun in Gestalt von türkischen Hilfslieferungen für türkische Flüchtlingslager auf syrischem Staatsgebiet auch schon unternommen - selbstverständlich freudig begrüsst von deutschen Mainstream-Medien.

Allerdings ist dieses Vordringen der Türkei auf fremdes Staatsgebiet noch durchaus harmlos im Vergleich mit der massiven militärischen Unterstützung verschiedenster, auch terroristischer, Rebellengruppen in Nordsyrien, darunter auch Al-Quaida-Ableger und Verbündete des IS. Diese türkische Politik hatte ja auch schon zum Abschuss eines russischen Kampfjets durch türkische Abfangjäger über syrischem Gebiet geführt.

Neu ist jetzt, dass Erdogan offene mediale und politische Unterstützung aus dem Westen bekommt. Anscheinend wirkt seine unverhohlene Erpressung mit der von ihm gesteuerten Flüchtlingswelle. Und es wirken auch die Befürchtungen, die Assad-Armee könnte doch noch in kurzer Zeit mit russischer Luftwaffenunterstützung die Stellungen der von der Türkei geförderten Rebellen im Norden liquidieren. Das könnte zwar Merkel herzlich egal sein, würde aber alle bisherigen US- und Nato-Planungen für den Nahen Osten über den Haufen werfen - und ausserdem auch noch Putin siegen lassen.

Die USA können das kaum zulassen.

Tatsächlich, so wird zumindest in russischen Medien berichtet, bereitet die Türkei in den letzten Wochen auf ihrer Seite der syrischen Grenze Stellungen, Truppen, Logistik und Kommunikation für einen Vormarsch nach Syrien vor.

Sollte Erdogan diesen anordnen - mit oder ohne Abstimmung mit dem Rest der Nato - wäre das nicht nur unausweichlich ein offener syrisch-türkischer Krieg (Damaskus hat in den vergangenen Tagen schon gedroht, alle Interventen in Holzsärgen wieder nach Hause zu schicken), sondern macht den Zusammenstoss von russischen und türkischen Militärs sehr wahrscheinlich.

Hineingezogen würden mit recht grosser Sicherheit auch Deutschland, USA, England, Frankreich, Saudi-Arabien und ihre Verbündeten, die alle in der Region schon militärisch präsent sind. Die Saudis hatten Ende Januar bereits angekündigt, Bodentruppen nach Syrien schicken zu wollen. Selbst in den USA gab es schon entsprechende Diskussionen.

Es gibt wohl kaum eine Region der Welt, in der so starke Militärkräfte konkurrierender und verfeindeter Staaten bereits im Einsatz sind.

Während Merkel in Ankara Erdogan den Rücken stärkte (weiss der Himmel, wer oder was sie dazu brachte), ordnete Putin eine gewaltige Militärübung an, die den ganzen Süden Russlands bis zum Kaukasus und bis kurz vor die türkische Grenze, aber auch den Militärbezirk Mitte bis nach Sibirien hin einbezieht.

Eine sehr deutliche Demonstration in Richtung Ankara. Wie auch schon Ende 2015 der Einsatz von russischen Flügelraketen vom Kaspischen Meer und vom Mittelmeer aus gegen Ziele der Islamisten in Syrien.

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