Sonntag, 15.05.2005
Usbekische Revolution im Blut ersticktAndré Ballin, Moskau. Der Aufstand im Osten Usbekistans hat wohl mindestens 500 Todesopfer gefordert. Präsident Islam Karimow demonstrierte, dass er nicht gewillt ist, freiwillig zurückzutreten.
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In seiner Rede zur Nation machte Karimow Radikalislamisten für den Ausbruch der Gewalt verantwortlich. Die Gruppe Hizb ut Tahrir und ihre lokale Untergruppierung Akramija, die er beschuldigte, galten lange Zeit als friedliche Widerstandsbewegung.
Allerdings soll Hizb ut Tahrir bereits im vergangenen Jahr die Unruhen in der Hauptstadt Taschkent angezettelt haben, bei der etwa 20 Menschen ums Leben kamen. Auch beim Umsturz in Kirgisien soll die Organisation beteiligt gewesen sein. Die Gruppe selbst streitet eine Beteiligung an den Ereignissen in der ostusbekischen Region Andischan freilich ab.
Verbindungen zu den Taliban?
Aus russischen Geheimdienstkreisen sickerte durch, dass die Revolutionäre in Andischan Verbindungen zu den Taliban in Afghanistan gehabt haben sollen. Außenminister Sergej Lawrow verurteilte den Umsturzversuch als Provokation talibanähnlicher Verbrechergruppen. Tatsächlich war der Aufstand gut vorbereitet. Die Rädelsführer kaperten erst ein Waffenlager der Armee, dann gut bewaffnet ein Gefängnis und schließlich einige Regierungsgebäude in der ostusbekischen Stadt.
Die Antwort Karimows auf die Bedrohung seiner Macht war eindeutig und hart. Sie richtete sich nicht nur gegen die Rebellenführer, sondern auch gegen demonstrierende Zivilisten. Schützenpanzer richteten ein Blutbad in der Menge an. Die Toten wurden anschließend in LKWs weggefahren.
Hunderte tote Zivilisten und Tausende Flüchtlinge
Eine Ärztin berichtete, sie habe 500 aufgebahrte Leichen in einer Schule gesehen. Das Gebäude wird schwer bewacht. Zutritt erhalten die Verwandten nur, um die Opfer zu identifizieren.
Tausende Flüchtlinge versuchen, über die Grenze nach Kirgisien zu entkommen. Ein erstes Flüchtlingslager wurde eilig aufgebaut. Andere wurden mit Schussverletzungen in kirgische Krankenhäuser eingeliefert. Unter den Entkommenen sollen auch ehemalige Häftlinge des gestürmten Gefängnisses sein. Doch bei weitem nicht allen Aufständischen gelang die Flucht. Die Grenze zwischen beiden Staaten wurden weitgehend dicht gemacht.
Reaktion vorhersagbar
Beobachter hatten die Reaktion Karimows auf eine Krisensituation vorausgesehen. Der Moskauer TV-Kommentator Michail Leontjew sagte, als er die Revolution in Kirgisien kommentierte: „In Usbekistan wird diese Nummer nicht funktionieren. Denn das dortige Regime wird niemanden um Erlaubnis fragen, ob es in eine Menge von Pogromhelden schießen darf.“
Die Demonstration von Stärke hat die versuchte Revolution im Blut erstickt. Karimows Herrschaft stützt sich nicht auf freie Wahlen, sondern einzig auf die Nomenklatura und die Sicherheitsorgane Armee, Polizei und Geheimdienst. Im Gegensatz zu Akajew, dem ehemaligen Präsidenten Kirgisiens, kämpft er mit allen Mitteln um den Erhalt seiner Macht.
Krise der postsowjetischen Regime
Das Aufflammen der Unruhen in Andischan zeigte jedoch einmal mehr, dass die postsowjetischen Regime derzeit eine Krise durchleben. In Georgien, der Ukraine und Kirgisien gab es schon Umstürze. In Aserbaidschan oder Kasachstan wird der nächste erwartet.
Wer dann an die Macht kommt, ist ungewiss. Deshalb halten sich sowohl die Vereinigten Staaten als auch Russland mit ihrer Unterstützung für die Aufständischen zurück.
Putin besorgt, USA zurückhaltend
Russlands Präsident Putin zeigte sich in einem Telefongespräch mit Karimow besorgt über eine mögliche Destabilisierung des gesamten mittelasiatischen Raumes. Am Samstag hatte ihn Islam Karimow angerufen, um sich der Unterstützung Russlands im Konflikt zu versichern.
Die USA haben Militärbasen im Land, deren Zukunft bei einem Regimewechsel ungewiss ist. Da ist den Großmächten ein verlässlicher, wenn auch autoritärer Machthaber in Taschkent deutlich lieber als ein islamistisch geführter, grün gefärbter Umsturz in einem mittelasiatischen Land. Usbekistan grenzt an Afghanistan, das immer noch weit von Stabilität entfernt ist.
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