Mittwoch, 04.05.2005
Wladimir Isdebski: Rückkehr eines VergessenenSt. Petersburg. Mit seinem Bildern und Skulpturen kommt der Bildhauer, Maler, Ausstellungsmacher und Mäzen Wladimir Isdebski nach Russland zurück. Das Russische Museum zeigt einen Teil seines Nachlasses.
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Die Übergabe der Ausstellungsstücke aus den USA ermöglicht einem faszinierenden Künstler und wichtigen Brückenbauer zwischen Ost und West das Auftauchen aus dem Vergessen.
Er gehörte zu jenen, die trotz ihrer Größe und ihres Werks von der Geschichte verschüttet wurden, weil ihre Visionen nicht existieren durften: Der Ukrainer Wladimir Isdebski (1882-1965) organisierte 1909/10 im zaristischen Russland internationale Kunstsalons, mit denen bedeutende Künstlerinnen und Künstler aus Frankreich und Deutschland dem russischen Publikum vorgestellt wurden und die für einigen Wirbel in der lokalen streng akademischen Kunstszene sorgten. Krieg und Revolution vernichteten jedoch seine kulturellen Brücken, Isdebski emigrierte und starb in den USA. Nun kehrt der Vergessene in Form einer Ausstellung zurück.
Die Biografie des Künstlers ist ebenso reich wie sein Schaffen und zeichnet ein ungewohntes Bild des vorrevolutionären Russlands, einem Land, das vor allem im Kulturbereich trotz autoriärer Herrschaft weltoffen und tolerant sein konnte und das neben Petersburg und Moskau noch andere wichtige Kulturzentren kannte.
Wladimir Isdebski wurden buchstäblich in die Konfliktzone zwischen Ost und West hineingeboren. Seine Eltern gehörten zwar der polnischen Aristokratie an, lebten jedoch als Verbannte in der Ukraine, da sie am Aufstand Polens gegen die Russen teilgenommen hatten. Obschon Isdebski gut gestellt war und bereits früh künstlerisch gefördert und auf eine Kunstschule in Odessa geschickt wurde, geriet er bald mit der herrschenden Staatsmacht in Konflikt.
Während der Pogrome, die 1905 im Zuge der Revolution ausbrechen, setzte er sich für die Opfer ein, wurde eingesperrt, und musste sich für acht Jahre ins Ausland absetzen.
Die Koordinaten |
Die Ausstellung ist bis am 20. Juni im Korpus Benois im Russischen Museum zu sehen.
Adresse: Kanal Gribojedowa
Nächste Metro: Newski Prospekt/Gostinyj Dwor
Geöffnet: 10.00 18.00, Mo. bis 17.00
Ruhetag: Di
Eintritt: ca. 6,5 Euro
Tel.: 3143448 |
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Fruchtbare Bekanntschaften in der Emigration
Dank seiner Aufenthalte in der Schweiz, Deutschland und Frankreich kam der junge Bildhauer sowohl mit der westeuropäischen Kunstszene wie auch mit der russischen Emigration in Kontakt. In München lernte er
die Künstlerkreise um Wassily Kandinsky, Gabriele Münter, Marianne Werefkin und Alexej Jawlensky kennen und gehörte 1909 zu den Gründungsmitgliedern der avantgardistischen „Neuen Künstlervereinigung München“. Im selben Jahr kehrte er nach Russland zurück, um seine grandiose Idee einer Begegnung zwischen Ost und West in Form von Kunstsalons umzusetzen.
Zwei Monate lang stellten in Odessa, Kiew, Riga und Petersburg 150 Künstler aus den Bereichen Malerei, Bildhauerei und Grafik über 700 Werke aus. Das russische Publikum hatte nie zuvor eine Kunstausstellung von solcher stilistischer Vielfalt, von den Realisten und Impressionisten bis hin zu den Fauvisten und Kubisten, gesehen.
Auf internationaler Seite nahmen vor allem Künstler aus Paris und München teil, darunter Wassili Kandinski, Wladimir Bechtejew, Marianne Werefkin und Aleksej Jawlenski. In der großen russischen Sektion waren vor allem Künstler der Avantgarde, darunter Mitglieder der Künstlervereinigungen “Welt der Kunst” (“Mir Iskusstvo”) vertreten. Als Bildhauer stellten neben Isdebski Heinrich Glitzenstein, Moissey Kogan und Pawel Selmanow aus. Die Gegner der neuen Tendenzen, darunter Ilja Repin, agitierten gegen das Unternehmen und provozierten öffentliche Skandale. Die Kunstausstellung wurde von Vorträgen mit zeitgenössischer Musik und Literatur begleitet.
Obschon die zweite Auflage von Isdebskis Salon mit rund 400 Exponaten nur sieben Monate später nicht ganz so umfangreich war, erregte sie in den Städten Odessa, Nikolajew und Cherson das selbe Aufsehen wie die Premiere.
Am Tellerrand zwischen Abstraktion und Gegenständlichkeit
Geldknappheit, Kriege und Unruhen bereiteten weiteren kulturellen Projekten Isdebskis ein Ende, er strandete in Paris, wo er in den Zwanziger- und Dreißigerjahren erfolgreich arbeitete und ausstellte.
Den Deutschen entkam er 1940 knapp auf einem der letzten Dampfer nach New York. Die Ausstellung im Korpus Benois spiegelt im wesentlichen Isdebskis Schaffen in Amerika, von dem Isdebskis Tochter einen Teil kürzlich dem Russischen Museum geschenkt hat.
Sein Werk ist ebenso vielfältig wie vital und kommt in der hellen und locker gestalteten Ausstellung gut zur Geltung: Bilder, Grafiken, Collagen und Skulpturen, lassen eine lebendige Welt am Tellerrand zwischen Abstraktion und Gegenständlichkeit erstehen. Sichtbar ist die
strenge, linienbetonte Gestaltung des Konstruktivismus eines
Kandinski. Ebenso sichtbar sind aber auch die organischen Formen des Kubismus eines Brancusi oder Picasso sie alle hat er gekannt und in seine Arbeit aufgenommen und bisweilen mit bunten und humoristischen Kapriolen versehen.
Die Welt von Mensch und Tier steht jener von Kreis, Quadrat und Dreieck freundschaftlich gegenüber und scheint sich an gewissen Orten sogar mit ihr zu vereinen. Die tiefe Schwärze und das blendende Weiß einer Skulptur fühlen sich durch die Buntheit der benachbarten Collage nicht gestört. Die Skulptur kann hier ebenso Spielzeug wie ernstes Wegzeichen sein. Kurz: Die Ausstellung vermag sowohl das Multitalent Isdebskis zu zeigen wie auch seine Gabe, zwischen Gegensätzen zu vermitteln, sei es als Künstler oder als Mensch.
(eva/.rufo)
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