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In Petersburg eine eher seltene Spezies: das Fahrrad (foto: ld/rufo) |
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Rad fahren in St. Petersburg: Allzeit bremsbereit!Liegts an den Abgasen, den langen Wintern oder den immer weiten Wegen, dass den Leningradern einst die Lust am Radfahren verging? Fakt ist, das es wohl kaum eine Millionenstadt in Europa gibt, die weniger fahrradfreundlich wäre als St. Petersburg. Fahrräder sind als Verkehrsmittel im Straßenverkehr nicht vorgesehen. Dennoch kann man hier ein paar Tricks und Regeln im Hinterkopf seinen Spaß an langen Rad-Exkursionen haben.
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Fahrräder gehören aufs Dorf oder den Kinderspielplatz diese Überzeugung scheint bei vielen Autofahrern vorzuherrschen. Deshalb werden Radler von allen anderen Verkehrsteilnehmern gerne mehr oder weniger bewusst übersehen und missachtet. Und fast überflüssig zu erwähnen, dass es in St. Petersburg keine Radwege gibt. Einzig ein zufällig entdeckter, schon halb zugewucherter Radl-Pfad am Rasliw-See im Vorort Sestrorezk bewies uns einstmals, dass das blaue Schild mit dem weißen Drahtesel in den russischen Verkehrsnormen theoretisch doch vorgesehen ist!
Trotzdem: Es ist möglich mit gewissem Vergnügen in St. Petersburg Rad zu fahren, wenn man sich den Gegebenheiten, so gut es eben geht, anpasst. Schließlich wächst die Zahl der Biker in der Stadt von Jahr zu Jahr an und das sind nun nicht alles potentielle Selbstmörder, sondern normale Leute mit schlichter Freude am Leben und Radeln.
Gutes Rad ist teuer: Radverleihe in Petersburg
Wen der Mut nicht verlassen hat, St. Petersburg im Rausch des Fahrtwindes zu erobern, sein Zweirad im Handgepäck aber nicht unterzubringen weiß, dem kann geholfen werden. Einige wenige Fahrradverleihe sind auch hier ausfindig zu machen.
Die zentralste Anlaufstelle ist der Post- und Kurierdienst "Westpost" am Newski Pr. 86 (Tel. 275-0784). Ein Mountainbike kostet hier 400 Rubel für einen Tag, der allerdings nur von 10 bis 19 Uhr dauert. Für 1000 Rubel kann man das Bike drei Tage ausführen. Etwas billiger ist auch ein "Phat Main Street" City Cruiser zu haben. Im Preis inbegriffen sind Helm, Schloss und Werkzeug. Die Kaution von 6000 Rubel kann auch per Kreditkarte hinterlegt werden.
Eine gute Adresse ist auch der Verleih „Ros Sport Kom“ in der ul. Sawuschkina 119 (Tel.: 345-3472), in der Nähe der Metrostation „Staraja Derewnja“. Bis vor die Ladentür sind es 20 Minuten Fußweg oder fünf Minuten mit dem Taxi. Auch auf dem Bogatyrski Prospekt 4 (Tel.: 320-0246) können Räder ausgeliehen werden. Von der Metrostation Pionierskaja sind es dorthin fünf bis zehn Minuten zu Fuß.
Zur Ausleihe stehen Modelle aller Art: Kinder-, Damen- und Herrenräder. Die Tagesmiete beträgt ziwschen 300 und 500 Rubel. Dabei wird immer darauf bestanden, den Pass oder den Führerschein zu hinterlassen sowie den Wert des Fahrrads in Bar als Kaution über die Ladentheke zu reichen.
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Ersatzteile und Service |
Wer sich auf großer Radtour bis St. Petersburg durchgearbeitet hat, hat vielleicht technische Hilfe nötig: Im Fahrradgeschäft \"Biwak\" in der ul. Korolenko 2a (nächste Metro: Tschernyschewskaja, Tel. 279-02-14) gibt es Mountainbike-Ersatzteile und auch eine Fahrradwerkstatt. |
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Dieser beläuft sich im Durchschnitt auf 6.000 Rubel (ca. 175 Euro). Auch wenn das Herz bei derart hohem Pfandgeld blutet, immer bedenken: Gelangt das Rad wieder unbeschadet in den Laden, wandern die Euros in die Tasche zurück. Wichtig: Unbedingt darauf achten, dass eine Fahrradapotheke zum Inventar gehört. Auch Stadtpläne werden oft mit auf den Weg gegeben, welche ein absolutes Muss im Radgepäck sind. Mit Blick auf das hohe Pfandgeld ist das ein Service, der erwartet werden darf.
Bevor es mit dem geliehenen Veloziped in Petersburg oder Umgebung auf die Piste geht, seien noch einige Erfahrungswerte mit auf den Weg gegeben, damit die Freude am Radeln länger währt als nur ein paar Meter:
Doch guten Rat gibts hier umsonst
1. Stark und schnell befahrene Straßen (z.B. Newski, Litejny, Moskowski Prospekt) besser meiden. Es sei denn, die Magistralen sind so intensiv befahren, dass wieder alles im Stau steht - außer jenem Radfahrer, der sich souverän zwischen den Autos durchschlängelt und am Horizont verschwindet (resp. in den Abgaswolken hust!)
2. Mit etwas Routenplanung auf dem Stadtplan finden sich oft Wege durch Seitenstraßen, die vielleicht ein klein wenig länger sind, dafür aber Nerven und Lunge schonen. Fußgängerzonen, Parkanlagen und Gehwege können in der Regel problemlos in den Streckenverlauf integriert werden. Fußgänger reagieren auf Klingelzeichen überrascht, aber verständnisvoll und aggressionslos. Tabuzonen für Radfahrer sind bewachte Park- und Museumsterritorien wie die Peter-Pauls-Festung, der Sommergarten und - aber nur noch an Freitag Abenden, Wochenenden und Feiertagen - die Jelagin-Insel.
3. Nicht träumen und weder aufs Vorderrad noch auf die historischen Fassaden starren, sondern Augen und Ohren aufsperren und die Finger auf der Bremse haben. Autofahrern grundsätzlich nicht trauen und der eigenen Vorfahrt kraft Verkehrsregeln erst recht nicht. Aber auch natürliche Hindernisse wie kraterartige Schlaglöcher und frei schwebende Trambahnschienen nicht unterschätzen! Rennradfelgen leben hier nicht lange, Petersburg ist Mountain-Bike-Areal.
4. Keine Angst vor der Verkehrspolizei: Da Radfahrer keine Nummernschilder und Fahrzeugpapiere haben, reagieren Gaischniki auf diese vermeintlich armen Irren selbst bei eklatanten Regelverstößen nur phlegmatisch.
5. Bleib cool, wenn dich ein Autofahrer schneidet, bedrängt oder einfach ignoriert. Du kannst fluchen, was dein Heimat-Idiom hergibt, aber lass die obszönen Gesten bleiben. Man ist hier Radfahrer im Stadtverkehr nicht gewohnt dafür ist das Ausdiskutieren der Straßenverkehrsordnung mit Faustschlägen durchaus möglich. Und verteidige dich mal mit einem Fahrrad zwischen den Beinen ...
6. Das draußen abgestellte Rad immer anketten und über Nacht in die Wohnung holen, um Gelegenheitsdieben die Tour zu vermasseln. Tagsüber verspricht Petersburg dagegen mehr Sicherheit: Anders als in Europas Fahrrad-freundlichen Metropolen ist in Petersburg der Beruf des Fahrrad-Diebes mangels Arbeitsmaterials unbekannt. Ein gegen Wegtragen gesicherter Drahtesel bleibt deshalb aller Voraussicht nach unbehelligt.
Und noch einige Tipps für die Routenplanung:
1. Suche das Wasser: Entlang der Newa und ihrer Mündungsarme gibt es parallel zu den Straßen wenig begangene, breite Trottoirs, die kilometerlang ohne Kreuzung und Bordsteinkanten beradelt werden können. Auf den stark befahrenen Newa-Brücken empfiehlt sich oft ein Wechsel auf den Gehweg.
2. Auch die für Autos gesperrten Wege im weitläufigen Küsten-Siegespark auf der Kreuzinsel sind ein feines Radrevier. Und wenn nicht gerade ein Autorennen stattfindet, kann man hinter dem Kirow-Stadion auf dem perfekt asphaltierten Rundkurs die Knie mal richtig krachen lassen (sofern nicht gar zu viele Rollschuhläufer unterwegs sind ...).
3. Fahrrad-Exkursionen in der Innenstadt auf das verkehrsärmere Wochenende und im Sommer auf die Abend- und Nachtstunden legen. In einer milden Weißen Nacht in aller Ruhe die Mojka oder den stillen Kanal Gribojedowa entlang zu radeln, ist ein einmaliges Petersburg-Erlebnis.
4. In die Metro oder Straßenbahn dürfen keine Räder mitgenommen werden. In die Vorortzüge aber schon, den Erwerb einer entsprechenden zusätzlichen Fahrrad-Fahrkarte vorausgesetzt. Wenn an Sommerwochenenden die Elektritschkas zu den Datscha-Destinationen draußen vor der Stadt atemberaubend voll sind, ist es klug, die Züge als Rad-Shuttle nur auf den noch erträglichen Abschnitten zwischen Stadt-Bahnhof und jenen Haltestellen am Stadtrand zu nutzen, wo ein Großteil der Passagiere in die Metro umsteigt resp. aus jener herausquillt. Das wären z.B.: Vom Finnländischen Bahnhof bis Staraja Derewnja (NW), Udelnaja (N) oder Dewjatkino (NO), vom Moskauer Bahnhof bis Rybazkoje (SO), vom Witebsker Bahnhof bis Kuptschino (S).
Nun dürfte der Fahrradtour durch die Stadt der Inseln und Brücken nichts mehr im Wege stehen. sanktpetersburg .RU wünscht allen einheimischen und zugereisten Petersburger Radpionieren Rahmen- und Speichenbruch! (ld/mga/.rufo)
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